„Das Nichts gegen Alles“: Arnulf Rainers Geburtstagsschau

Alles oder nichts – das bedeutet: Volles Risiko! „Perspektiven der Vernichtung“ nannte der 21-jährige Arnulf Rainer einen Text, in dem er Gegensätze herausarbeitete: „Der Tod gegen das Leben. Das Andere gegen die Welt. Das Nichts gegen Alles.“ 74 Jahre danach nimmt nun der Titel der Jubiläumsausstellung zum 95. Geburtstag des Künstlers, die am Samstag (23.11.) im Arnulf Rainer Museum in Baden eröffnet wird, darauf Bezug: „Das Nichts gegen Alles“.

„Nicht nur Rainers dialektische Arbeitsweise, sondern auch der Anspruch, mit seiner Kunst an den Grundlagen der menschlichen Existenz zu rühren, spiegeln sich darin wider“, erläutert Kurator Nikolaus Kratzer die Titelwahl. Er ist Leiter der Kunstsammlung des Landes Niederösterreich, die im Sommer eine große Schenkung des Kunstsammlers Helmut Zambo entgegennehmen durfte – darunter an die 300 Arbeiten von Rainer, die den Grundstock kommender Ausstellungen bilden werden. 69 Werke haben die beiden als Kuratoren für die Jubiläumsschau ausgewählt, „im konfliktfreien Dialog“, wie sie im APA-Gespräch unisono versichern.

Es ist keine umfassende Retrospektive, dazu fehlt zwar nicht das Material, aber der Platz. Dafür stehen die Schwerpunkte der nächsten beiden Ausstellungen bereits fest: Ab Herbst 2025 widmet man sich dem Thema „Arnulf Rainer und Art Brut“, ein Jahr darauf der Gegenüberstellung von Arnulf Rainer und Hermann Nitsch. An Letzteren muss man auch immer wieder denken, wenn man durch die Räume des ehemaligen Frauenbads schlendert, in denen man vielen Kreuz-Arbeiten und -Übermalungen Rainers begegnet. Das 1969 bis 1974 entstandene monumentale kreuzförmige „Selbstbegräbnis oder Christusleid, Christusfreud?“ mit einem übermalten Rainer-Selbstporträt an der Spitze stellt dabei einen der Höhepunkte der Präsentation dar, die mit einer sparsamen Hängung besticht und einen wunderbaren Dialog zwischen den Kunstwerken und der klassizistischen Architektur der Räume eingeht.

Hängung „ganz anders als bei mir zu Hause“

„Das hier ist ganz anders als bei mir zu Hause“, sagt Zambo und zeigt auf dem Smartphone Fotos seiner 900-Quadratmeter-Villa im südlichen Schwarzwald, wo die riesige Kunstsammlung in dichter „Petersburger Hängung“ die Wände bis unter den Plafond dominierte. Im Juli habe man drei Lkws gebraucht, um den Abtransport der Schenkung zu bewerkstelligen, berichtet Kratzer.

Die Wände im Zambo-Heim weisen seither wieder weiße Flächen auf. Wohl nicht auf Dauer: „Ich habe noch viel im Keller“, schmunzelt der Sammler, der am 3. Dezember, nur fünf Tage vor Rainers Geburtstag, 85 wird. 30 Werke von Arnulf Rainer habe er sich aber noch behalten, erzählt er. Darunter ist auch der allererste Ankauf, mit dem 1960 die jahrzehntelange intensive Beziehung zwischen Künstler und Sammler begann.

Die Ausstellung „Das Nichts gegen Alles“ konzentriert sich motivisch auf die Kreuze, die in unterschiedlichsten Variationen Rainers Werk durchziehen. Besonders eindrucksvoll ist etwa eine Serie von Kaltnadelradierungen in unterschiedlichen Farben aus den 1980ern oder die „Kreuzstand“ genannte Übermalung eines nackten Selbstporträts aus dem Jahr 1972.

Surrealistische Anfänge

Sie behandelt aber auch die Anfänge des Künstlers, der sich vom Surrealismus angezogen fühlte, diesem aber nach einem 1951 gemeinsam mit Maria Lassnig absolvierten Paris-Besuch bei André Breton abschwor. „Von Breton war er sehr enttäuscht – vor allem darüber, dass sich dieser mehr für die hübschen Beine und das Dekolleté von Lassnig als für die von Rainer mitgebrachten Zeichnungen interessierte“, erzählt Zambo von jener Begegnung, die auch in den Film „Mit einem Tiger schlafen“ von Anja Salomonowitz Eingang fand, in dem Birgit Minichmayr die Malerin und Shootingstar Oskar Haag den um zehn Jahre jüngeren Arnulf Rainer spielt. Jenes Blatt, das der 21-Jährige daraufhin laut Zambo „aus Protest“ nicht fertiggestellt hat, nämlich „Winnetou“ (1950), hängt nun in der Ausstellung – neben dem Porträt einer „Brillenfrau“, die laut Zambo niemand anderer als Maria Lassnig ist. Titel: „Diejenige welche“.

Die Kabanen des früheren Bades bieten beim Rundgang reizvolle Einzelkojen für Blätter etwa aus der in den 1960ern entstandenen Radierungsmappe „Haute Coiffure“. Schon 1977 hat eine allererste Rainer-Ausstellung in diesen Räumen deren Eignung zur Kunstpräsentation bewiesen. Vor einem großen roten Kreuz aus den 1980ern bleibt man unweigerlich stehen – die Anziehungskraft des intensiv leuchtenden Bildes ist groß. Der Vorbesitzer habe ihn förmlich angefleht, ihm das Bild abzunehmen, erzählt Zambo, denn dieser habe dessen starke Präsenz in den eigenen vier Wänden kaum mehr ertragen.

„Die Übermalungen sind die Königsbilder!“, ist der Sammler überzeugt. Den berühmten „Face Farces“ oder den „Body Poses“ begegnet man in der Ausstellung allerdings nicht – sie sind jedoch in der gleichzeitig erscheinenden Publikation vertreten. Für das Jubiläum „95 Jahre Arnulf Rainer“ sind hier genau 95 Werke versammelt. Und alle stammen aus der Sammlung Helmut Zambo.

Ausstellung „Das Nichts gegen Alles“ im Arnulf Rainer Museum Baden, Josefsplatz 5. Eröffnung: Samstag, 23.11., 11 Uhr, Open House: Sonntag, 24.11., 10-17 Uhr. 23.11.2024 bis 5.10.2025. Publikation: „Arnulf Rainer. 95 Jahre“. Hg. von Helmut Zambo und Nikolaus Kratzer, Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, in Deutsch und Englisch, 160 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 978-3-7533-0754-1; arnulf-rainer-museum.at

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