Das Phänomen Domingo

Wiener Staatsoper zur Dritten: „Simon Boccanegra“

Es war ein Hattrick von „Must-see“-Abenden für Opernfreunde, mit denen Bogdan Roscic „seine“ Wiener Staatsoper eröffnete. Nach der hinreißenden „Butterfly“-Inszenierung und dem Triumph von Franz Welser-Möst am Pult von Harry Kupfers genialer „Elektra“-Inszenierung, folgte Verdis „Simon Boccanegra“ mit Placido Domingo in der Titelrolle. Der 79-Jährige kann es nicht lassen — er muss auf die Bühne, und sein Publikum will ihn dort sehen.

Nach Krankheit und schweren Anschuldigungen scheint Domingo spürbar gealtert, aber: Wo nimmt der alte Herr nur diese Stimme her? Es ist ein erstaunlicher Kraftakt, diese große Rolle durchzusingen und dabei nicht einmal Anstrengung hören zu lassen! Schlechtweg bewundernswert und vom Publikum auch gebührend gefeiert.

Ebenso viel Interesse bei Opernfreunden erregte Günther Groissböck. Der Niederösterreicher ist — neben seinem Landsmann, dem Tenor Andreas Schager — derzeit wohl Österreichs berühmtester Beitrag zur internationalen Opernszene, wo er mit seinem Bass in der A-Klasse mitspielt. Groissböck hätte heuer in Bayreuth alle Wotans im „Ring des Nibelungen“ singen sollen (wird 2022 nachgeholt), die Met hat ihn schon als König Philipp in „Don Carlos“ angesetzt.

An der Wiener Staatsoper sang Groissböck nun zum ersten Mal in seiner Karriere eine andere Verdi-Basspartie, den Fiesco. Und war mit der kleinen Rolle fast unterfordert. Dennoch ist es klug, dass ein Sänger sich nicht auf seinen (Wagner-)Lorbeeren ausruht und sich nicht festlegen lassen will, sondern immer etwas Neues versucht. Das hat, nebenbei bemerkt, auch Placido Domingo sein Leben lang getan, und das macht ihn so außerordentlich.

Neben den beiden großen Männer-Persönlichkeiten war es ein von Evelino Pidò bestens geleiteter Repertoire-Abend, in dem die Direktion wieder einige der neuen Sänger präsentierte, die man in der Ära Roscic wohl noch näher und besser kennenlernen wird.

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