Der sanfte Weg zur Änderung eines Lebens

Der iranisch-britische Regisseur Babak Jalali erzählt in „Fremont“ die Geschichte einer Geflüchteten

Donyas (Anaita Wali Zada) Gesicht bleibt meist regungslos, was in ihr vorgeht, bleibt verborgen.
Donyas (Anaita Wali Zada) Gesicht bleibt meist regungslos, was in ihr vorgeht, bleibt verborgen. © Polyfilm

„Verliebe dich nicht in einen Deppen!“, rät ein Landsmann Donya (Anaita Wali Zada). Das Leben ist einfach mit den richtigen Ratschlägen, Vorhersagen und Botschaften. Nicht zu kurz, nicht zu lang, nicht zu optimistisch, nicht zu pessimistisch sollen sie sein, die paar Worte, die auf diesen kleinen Zettelchen Platz finden, die nach dem erwartungsfrohen Knacks aus chinesischen Glückskeksen fallen.

Donya ist eine junge Frau, hat einst, um Geld zu verdienen und ihre Heimat Richtung Westen verlassen zu können, als Dolmetscherin für die US-Armee gearbeitet. Als die Taliban erneut die Herrschaft in Afghanistan übernahmen, schaffte es Donya in ein Evakuierungsflugzeug.

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Nun ist sie in Fremont gelandet, lebt in einem Haus voller Afghanen, verbringt ihre Abende in einem afghanischen Restaurant, wo sie mit dem alten Besitzer einer Soap Opera folgt. Zur Arbeit fährt die junge Frau nach San Francisco, fertigt dort die handgemachten Glückskekse, die bald Hoffnung spenden, den Menschen, die sie aufbrechen wenigstens ein Lächeln ins Gesicht zaubern sollen. Anfangs bäckt sie, faltet, verpackt die Teig-Papier-Objekte, später steigt sie auf zur Botschaftsschreiberin — und versteckt ihre Telefonnummer in einem der Kekse. Ein kleines bisschen Schicksal in der eigenen Hand.

Der iranisch-britische Regisseur Babak Jalali geht mit seinem Film „Fremont“ einen ungewohnten, wenn auch nicht einzigartigen Weg, um die Geschichten einer geflüchteten Frau zu erzählen. Kaurismäki, Jarmusch, die Inspirationen sind seh- und spürbar, vielleicht eine Hommage, wenn, dann auf jeden Fall eine sehr gelungene, die eindringlich und nachhaltig wirkt.

Die selbst einst aus Afghanistan geflüchtete Darstellerin Anaita Wali Zada legt als Donya nicht offen, wie es in ihr aussieht. Nur in kleinen Momenten fällt die Mauer. Doch der stille Film mit seiner ruhigen Schwarz-Weiß-Ästhetik, seinen langen Einstellungen und klaren und scharfen Bildern verlangt nicht nach einem Seelen-Striptease, nach einer Offenlegung all der Schmerzen, Verluste, Schuldgefühle, die die 20-Jährige erschüttert haben.

Sich zu öffnen, bedeutet bei Jalai nicht, einen Aha-Moment zu erleben, selbst bei ihrem Psychiater (Gregg Turkington) bleibt Donya zurückhaltend, nichtsdestotrotz zeigen dessen ungewöhnliche Methoden Wirkung. Und so steuert Donya sanft auf eine Änderung ihres Lebens zu, und man möchte ihr dabei noch lange zusehen.

Von Mariella Moshammer

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