Der Walzer: Ein Chamäleon

Prager Rundfunk-Sinfonieorchester und Chefdirigent Petr Popelka beeindruckten im Brucknerhaus

Wie vielgestaltig die Tanzform Walzer speziell in der „klassischen“ Musik daherkommen kann, wurde im 9. Konzert des Großen Brucknerhaus-Abo am Dienstag vom Prager Rundfunk-Sinfonieorchester und seinem Chefdirigenten Petr Popelka eindrucksvoll demonstriert.

Populärer Einstieg

Der Einstieg ins Konzert gelang mit Dimitri Schostakowitschs „Suite für Varieté-Orchester“ (1940) überaus populär. Zwischen einem pompös-ironischen Eröffnungsmarsch und dem beschwingten Finale dominieren drei Walzer das Werk, von denen die „Nr.2“ wohl über eine Ausstrahlung verfügt, die weit über die Welt des „klassischen“ Publikums hinausreicht: Es handelt sich um die Musik zum Film „Eyes wide shut“, deren sich auch die Werbe-Industrie bemächtigt hat.

Glänzender Solist

Benjamin Brittens Klavierkonzert op. 12 (1938) ist aus ganz anderem Holz geschnitzt. Einerseits von rasanter Motorik getrieben, weiß es durch originelle Konstruktion und eingängige Melodik zu überzeugen. Der Walzer des 2. Satzes tänzelt entlang der Grenze zwischen Kunst und Ironie. Solist Dmitry Shishkin glänzte mit hoher Musikalität und stupender Virtuosität; das Orchester begleitete einfühlsam und doch selbstbewusst.

Auf Petr Popelka, der stets auf nuancierte Dynamik und differenzierten Klang bedacht war, wartete mit den das Konzert abschließenden „Sinfonischen Tänzen für Orchester“ (1940) Sergei Rachmaninows wohl die größte Herausforderung des Abends. Dieses sein letztes vollendetes Werk – im Zentrum ein elegischer Walzer –  hat der Komponist gleichsam als sein sinfonisches Vermächtnis gesehen; entsprechend viele neue Ideen, Zitate aus früheren Werken, sowie das gegen Schluss dominante Dies Irae-Motiv sind darin aufwendig verwoben, die in ihrer Fülle und Dichte die Konzentration aller Beteiligten beanspruchten, aber auch zur Ermüdung der Zuhörer führten. Deren bewundernder Beifall galt den scheinbar Nimmermüden: dem Dirigenten und seinem Orchester.

Von Paul Stepanek

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