Typische englische Ladies mit typisch englischem Lebensstil in ebenso typischem viktorianischem Ambiente — so weit, so vorhersehbar.
Dass diese Ladies in der Folge aber einen Kalender mit erotischen Fotos von sich selbst produzieren, das ist alles andere als typisch und Inhalt der turbulenten Komödie „Kalender Girls“ von Tim Firth. Umjubelte Premiere in der Kulturfabrik Helfenberg war am Mittwoch.
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Wahre Begebenheit
Die Story beruht auf einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 1999. In einer kleinen Gemeinde im englischen Yorkshire gehört es zur Tradition einer Frauenorganisation, neben anderen Aktivitäten auch jedes Jahr einen Kalender mit schönen Landschaftsbildern herauszubringen und zu verkaufen, der Erlös geht an wohltätige Zwecke. Als der Ehemann einer der Frauen an Leukämie stirbt, beschließt man, Geld für die Krebsstation des Krankenhauses aufzutreiben. Mittel zum Zweck ist ein Kalender, für den sich die Ladies „ausziehen“.
Der Zweck heiligt die erotischen Mittel. Damit ist auch der wesentliche Inhalt von „Kalender Girls“ beschrieben. Die künstlerisch Verantwortlichen in Helfenberg – Brigitta Waschnig und John. F. Kutil — belassen das Stück im englischen Ambiente eines traditionell gemütlichen, biederen Wohnzimmers, über dem ein Bild von Queen Elisabeth thront. Davor ein grüner „Rasen“. Die sieben Protagonistinnen mittleren Alters beschäftigen sich standesgemäß mit Kuchenwettbewerb, Marmelade einkochen und stricken. In diese Pseudo-Idylle bricht die Krankheit des Ehemanns ein, freilich in der Helfenberger Dramaturgie nicht brutal, sondern langsam und damit umso berührender. Der Theaterabend wird vor allem im ersten Teil zur gelungenen Balance von Humor und Besinnlichkeit.
„Sollen wir oder nicht?“
Von der Idee zum Erotik-Kalender bis zur Umsetzung machen die Ladies eine Entwicklung durch zwischen „sollen wir“ oder „sollen wir nicht“, bis es dann ans Realisieren geht. Wieviel Brust darf gezeigt werden? Wichtiger als das Zeigen ist das Verdecken der letzten Konsequenz (Brustwarzen!).
So werden die Ladies auf dem Kalender zu sehen sein mit Rosinenschnecken, Kompottgläsern oder einer Teigschüssel vor den Brüsten. Hier glänzt die Regie mit skurrilen Einfällen. Ein schüchterner und überforderter Fotograf, prüde und damit entsetzte andere englische Damen sowie zwei auf „Möpse“ fixierte Buben in Schuluniform runden die Situationskomik ab. Immer wieder, wie gesagt, auch mit stillen, besinnlichen Momenten, etwa, wenn es um Sonnenblumen als Erinnerung an den verstorbenen Ehemann geht.
Durchaus aktuell
Das Ensemble in Helfenberg ist mit großer Begeisterung und Perfektion in der Darstellung bei der Sache, aber auch mit spürbarem Empfinden für den tieferen Sinn der Story. Dieser wird im Verlauf des Abends auch in anderer, durchaus aktueller Hinsicht deutlich.
Etwa, wenn es um die Frage der Vermarktung des weiblichen Körpers in den Medien geht und sich damit die Schattenseite des Erfolgskalenders zeigt. Alles in allem ein gelungener Theaterabend von — inklusive Pause — drei Stunden. Da hätte die eine oder andere Straffung nicht geschadet. Das Publikum in der Kulturfabrik Helfenberg dankte jedenfalls mit Standing Ovations.
Von Werner Rohrhofer