Deutsch-Indische Spitzfindigkeiten

Theater Phönix zeigt „Identitti“ um Identität und Rassismus

Knapp 90 Minuten dauert die farbenfrohe, lässig-heitere Diskussionsgrundlage „Identitti“ im Theater Phönix.
Knapp 90 Minuten dauert die farbenfrohe, lässig-heitere Diskussionsgrundlage „Identitti“ im Theater Phönix. © Andreas Kurz

Eine Bilder- und Rhythmusflut empfängt, ein Faltengebirge aus Alufolie fängt Licht und Farben ein (Bühne: Anneliese Neudecker). „Kali, warum hast du so viele Arme?“ Indische Mythologie und deutsche Märchen schweben auf der Bühne, alte und neue Gedanken, politische und persönliche Bewegungen. Im Fokus Rassismus und Identität. Die deutsch-indische Studentin Nivedita bloggt als „Identitti“ dazu und baut auf den Posts von Saraswati auf, eine renommierten indischen Professorin, eine Ikone aller Debatten über Identität.

Die Figur Nivedita liegt nahe an der Autorin Mithu Sanyal, geb. 1971, Tochter einer polnischen Mutter und eines indischen Vaters, die ihren Roman „Identitti“ in eine gekürzte Bühnenversion verwandelte — in der Inszenierung von Martina Gredler im Theater Phönix zu sehen.

Niveditas Weltbild bricht zusammen, als sie draufkommt, dass die nach der indischen Göttin der Weisheit benannte Saraswati eine Weiße ist, die bürgerlich Sarah Vera Thielmann heißt. Darf sich denn eine weiße Deutsche als PoC (Person of Colour) ausgeben? Darf man sich einen fiktiven ethischen Hintergrund aneignen? „Identität bestimmt nicht die Dinge, die wir tun, sehr wohl aber die Dinge, die andere Menschen uns antun.“ Im Hintergrund belehrt, rechtfertigt als enttarnte Saraswati souverän Gina Christof. Als Über-den-Dingen-Stehende darf sie schulmeistern, etwa über Ursachen der vermeintlich weißen Überlegenheit oder Kolonialismus. Dem Stück gibt es Wendungen und Humus für Denkmodelle.

Wer aber ist nun PoC? Sind das jene, die gefragt werden, woher sie kommen? Wer bestimmt die Identität, wer sieht sie? Der dünne Handlungsfaden reißt ab. Theorien und kluge Argumente fliegen nur so hin und her.

Gulschan Bano Sheikh als Nivedita sammelt eigene und fremde Gedanken, verarbeitet, entwickelt weiter und hält die Inszenierung zusammen. Musik- und Tanzeinlagen gewähren Pausen, Figuren kommen und gehen. Mathias Zernatto als personifizierte Metaebene: „Wann habe ich endlich wieder einen Auftritt?“ Den mythologischen Part besetzt Kerstin Jost als Kali, Göttin der Zerstörung und Erneuerung. Vom Schmerz spricht Niveditas Bruder Raji alias Mirkan Öncel. Welt- und Menschheitsumfassende Schlussparolen: „Wir sind das Wunder der Schöpfung in Schmerz und Liebe vereint“. Göttin Kali verweht als Posthippie: „Let love flow like a river“.

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