Die Bewohner des vertikalen Dorfes in Wien

Bianca Gleissingers Kino-Dokumentarfilm „27 Storeys“ über das Leben einst und heute in Alterlaa

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Blickt man auf die Alterlaa-Wohnblöcke, sieht die langen Reihen, Fenster an Fenster, Balkon an Balkon, Wohnung an Wohnung — man kommt nicht umhin, an überdimensionale Setzkästen zu denken, in jeder Nische ein Sammelstück.

Eine österreichische Regisseurin hat sich aufgemacht, diese Figuren über Jahre zu begleiten und einen Film aus ihnen und ihrer Wohnwelt zu machen. Und dabei ist auch sie selbst so ein Sammelstück, einst in dem Wiener Wohnpark aufgewachsen, jetzt aus Berlin zurückgekehrt, um ihrer Kindheit und einem besonderen Wohnprojekt ein Stück auf den Grund zu gehen.

Bianca Gleissinger geht in ihrem Debüt-Dokumentarfilm in die Vollen und bringt sich selbst stark ein. Nicht nur Archivmaterial aus der eigenen Kindheit in Alterlaa, auch ihr Filmemachen ist Teil von „27 Storeys — Alterlaa forever“. Dabei zeigt sie sich selbstironisch und mit Mut zur Transparenz. Ansonsten ist die Doku durchaus genretreu angelegt.

Aus dem Leben eines Freddy-Quinn-Fan-Paares

Gleissinger erzählt die Geschichte des Wohnparks, der einst modernstes Leben im leistbaren Maßstab bot, Schwimmbad auf dem Dach für alle inklusive. Im Mittelpunkt aber stehen die Bewohner von heute, manche sind Teil Alterlaas von Anbeginn an. Die Menschen zeigen freizügig ihre Wohnungen, geben Einblicke in ihren Alltag, es wird diskutiert, durchaus Politisches, aber auch Banales aus dem Leben eines Freddy-Quinn-Fan-Paares etwa.

Die Mehrheit der aktuellen Bewohner ist fortgeschritteneren Alters, doch der vertikale dörfliche Charakter zieht auch heute noch Junge an, die versuchen sich dann am städtischen Garteln und sind für den Bewohner-Newsletter verantwortlich.

Gleissinger ist es gelungen, Beziehungen aufzubauen und das Kinopublikum daran teilhaben zu lassen. Die Menschen erzählen von einstigen Träumen, die Regisseurin reflektiert die ihrer Eltern einst, hinterfragt die eigenen.

Am Ende ist „27 Storeys“ mehr geworden als eine Dokumentation über die einstige Vorstellung vom gemeinsamen Wohnen mit allem Komfort, es ist auch ein Film über die Welt heute entstanden, in der der Individualismus einen weitaus höheren Stellenwert hat, die Behauptung und Umsetzung der eigenen Ideen und Träume wichtiger ist als die einer Gemeinschaft.

Von Mariella Moshammer

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