Die deformierte Welt eines Heimkehrers

Von allem viel in Stefan Ruzowitzkys „Hinterland“

Das zu vergilben beginnende Hochzeitsfoto zeigt einen stolzen Mann mit geschwellter Brust in pompöser Uniform. Er steht mit hochgerecktem Kopf, an seiner Seite sitzt fast unscheinbar die Braut.

Der Mann, der das Foto aus einer anderen Zeit betrachtet, ist ein gebrochener. Der Kopf geneigt, schwer auf seinen hängenden Schultern, das Gesicht von Narben zerschnitten. In seinem Blick kein Funken Stolz, keiner des Glücks. Das Leben von Peter Perg reißt noch einmal auseinander.

Er kehrt nach dem Ersten Weltkrieg und zwei Jahren Kriegsgefangenschaft ins deformierte Wien zurück, findet alles zerstört, wofür er einst bereit war, sein Leben zu geben. Die Häuserfronten biegen und wölben sich, der Zuschauer wird zum Heimkehrer, sieht durch dessen Augen, die nichts mehr so vorfinden, wie es vor dem am Ende verlorenen Kampf für Kaiser und Vaterland war. Kaiser gibt es keinen mehr, aus den Grafen wurden Herren, die Hierarchien bleiben steil, neue politische Gefahren brauen sich am Horizont zusammen.

Stefan Ruzowitzky setzt in „Hinterland“ auf die Optik und seinen Hauptdarsteller Murathan Muslu. Den lässt er in ein surreales Wien fallen, wo die Zerstörung des Kriegs weitergeht. Ehemalige Kameraden werden bestialisch ermordet, der frühere Polizist ist mal Verdächtiger, mal Ermittler. An seiner Seite Liv Lisa Fries als Gerichtsmedizinerin, die Ähnlichkeit zu deren Rolle im Serien-Hit „Babylon Berlin“ kann kein Zufall sein.

Nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb Wolfgang Borchert „Draußen vor der Tür“ und begleitete den Soldaten Beckmann bei seiner Heimkehr ins Nachkriegsdeutschland. Becks Eltern sind tot, seine Frau bei einem anderen, ihn plagen grausamste Träume. Auch Perg muss sich nächtens mit Schatten und Dämonen der Vergangenheit herumschlagen, die Ruzowitzky über die Wand ziehen lässt. Am Ende findet der einstige Soldat am harten Boden endlich Schlaf.

So schlingert „Hinterland“ zwischen eindrucksvollen Bildern, starken Szenen von Murathan Muslu, schräger Optik aus dem Computer, aber auch plakativem Pathos. Ein Ruzowitzky kleckert eben nicht. Es ist von allem viel, was der Oscar-Preisträgerauf die Kinoleinwand bringt. Weniger Eindeutigkeit hätte an mancher Stelle gut getan.

Von Mariella Moshammer

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