Die Erlösung der Einsamkeit

Adrian Goigingers „Märzengrund“ mit Nachklang

Johannes Krisch als „alter“ Elias
Johannes Krisch als „alter“ Elias © Metafilm

Dass Adrian Goiginger ein Filmemacher ist, dessen Schaffen Menschen nachhaltig beschäftigen kann, hat er mit seinem Erstling „Die beste aller Welten“, in der er seine eigene Geschichte erzählt, die von der Drogensucht, aber auch Hingabe seiner Mutter bestimmt war, beeindruckend und ergreifend unter Beweis gestellt. Nun kommt sein zweiter Film in die Kinos, die Verfilmung von Felix Mitterers Drama „Märzengrund“, das auf der wahren Geschichte eines jungen Mannes beruht, der trotz monetären Reichtums der Welt den Rücken kehrte und in die Berge ging.

Elias (Neuentdeckung Jakob Mader) ist Klassenbester und bald ein reicher Bauer im Zillertal der späten 1960er-Jahre. Er ist ein junger Mann, der hilfsbereit und dankbar ist, viel Empathie zeigt. Die seinem Vater (Harald Windisch) fehlt, als er einem in Not Geratenen das Letzte abluchsen will. In Elias’ Gesicht ist Abscheu zu erkennen.

Er verzichtet auf den letzten Rest Zivilisation

„Ich will nicht, dass dich der Vater untertags beim Lesen erwischt“, mahnt ihn die Mutter (Gerti Drassl). So hat ein Bauer nicht zu sein. Viele Jahrzehnte später soll Elias selbst es sein, der aufs Lesen verzichtet, auf den letzten Rest Zivilisation, auf die letzten Spuren der Verbundenheit mit der Gesellschaft. Davor die Begegnung mit Moid (Verena Altenberger), einer geschiedenen jungen Frau, der Elias sich so nahe fühlt. Als seine Mutter diese Verbindung brutalst unterbindet, ist das für Elias der letzte Gegenwind, der ihn kippen lässt. Depressiv wird er zur „Heilung“ auf die Alm geschickt, soll Winter und Sommer dort alleine verbringen und dann als Erbe zurückkehren. Doch die Sanktion kehrt sich in die andere Richtung, Elias erkennt in der Einsamkeit die wahre Erlösung.

Jahrzehnte später zwingt Krankheit den „alten“ Elias zurück ins Tal, in ein Leben, das er nicht akzeptieren kann.

Goiginger macht aus der geradlinigen Geschichte „Märzengrund“ in intensiven Szenen und imposanten Bildern (Kamera: Klemens Hufnagl) einen besonderen Film, der über die einfache Lebenserzählung eines Aussteigers hinausgeht.

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Selbstverständlich geschehen Momenten radikalsten Widerspruches nebeneinander: Mutter, Vater, Sohn und Tochter (Iris Unterberger) beim gemeinsamen Spiel, gegenseitiges Necken, Lachen. Dann die minderjährige Tochter, die ihre Eltern hasserfüllt anschreit: „Ich habe nur einen Wunsch in meinem Leben, ich möchte nie so werden wie ihr!“ Schon wie in „Die beste aller Welten“ zeigt Goiginger, dass die Welt nicht schwarz oder weiß ist, Beziehungen zwischen Menschen niemals eindimensional.

Als der — wie der Rest der Besetzung — wunderbar gewählte Johannes Krisch als alter Elias den Egoismus in seinem Handeln erkennt, dass er nie ein Opfer für jemand anderen gebracht hat, bekommt die Erzählung eine neue immens starke Facette, die sich im Kopf verankert. So wird aus „Märzengrund“ ein Film, der seine Kraft im Nachhall findet, im Nachklang, der lange nach dem Abspann begleitet.

Von Mariella Moshammer

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