„Die Freiheit, die Lust und die Offenheit zu leben“

„Jaschareien“: Aktionistisches des oö. Künstlers Johann Jascha ab Freitag im Linzer Schlossmuseum

Johann Jascha 2022 in der Ausstellung „Jaschareien“Was die hehre Kunst lange Zeit ignorierte: Der Mensch hat einen Körper. Lust und Leiden, Körperlichkeit und Kunst, Johann Jascha 1971 in Linz in Aktion mit „Liebe Lederhose“.
Johann Jascha 2022 in der Ausstellung „Jaschareien“ © OÖ Landes-Kultur GmbH, Fotografie Michael Maritsch-maritsch.com

Die Olympischen Spiele 1972 in München mussten für fünf Minuten unterbrochen werden, weil Johann Jascha schrie.

Ein künstlerischer Akt. Das Linzer Schlossmuseum zeigt bis 29. Mai das aktionistische und fotografische Werk des 1942 in Mettmach geborenen Künstlers.

VOLKSBLATT: Ein Schrei ist nicht einfach ein Schrei. Schon gar nicht in der Kunst. Was ist der Jascha-Schrei?

Johann Jascha: Ich setze den Schrei als aktionistische Äußerung aggressiver Art ein. Um die Unzufriedenheit des Individuums scharf an das Gegenüber zu bringen.

Jetzt sollte es dem Individuum in einer sich individualistisch wähnenden Gesellschaft doch gar nicht so schlecht gehen. Der Begriff der schon lange arg gebeutelten „Freiheit“ gehört in dieses Feld.

Schauen Sie nur ins Internet. Schauen und sehen Sie sich an, wie „Freiheit“ sich ausdrückt: Aggressionen, Beleidigungen, Morddrohungen.

Wohl die Schattenseite der – digitalen – Freiheit. Was ist die Freiheit, die Ihnen als Mensch, als Künstler gut tut?

Mir ist bewusst, dass es nur relative Freiheit gibt. Keine absolute. Aber! Die Freiheit braucht der Mensch, um in Lust und Offenheit leben zu können.

Wogegen richteten sich vor 50 Jahren ihre künstlerischen Interventionen?

Mit den langen Haaren hatte ich in Wien fast überall Lokalverbot. Besonders als Kunststudent an der Wiener Akademie der bildenden Künste (1963 bis 1967, Anm.) habe ich nichts gelernt und keinen Diskurs erfahren. Und ich habe gewusst, das ist nicht der Weg zur Kunst.

Auch die zeitgenössische Kunst nahmen Sie ins Visier, 1971 zerstörten Sie Ihr Auto auf dem Rasen vor dem Wiener Museum des 20. Jahrhunderts.

„Allgemeines Schlagkunstwerk – Autozertrümmerung“: Wenn das Publikum zu einer Vernissage wollte, musste es an meinem Auto vorbei und konnte sich auch abreagieren. Dann hatten sie eine lustige, freie Welt in sich und konnten die Ausstellung auch genießen.

Sie intervenierten gerne im drögen Kunstbetrieb, zwei Mal bei Ausstellungen von Arnulf Rainer. Rainer galt als „wild“, wie hat er auf den noch wilderen Jascha reagiert?

Er hat mich vereinnahmt und gesagt, er habe jetzt eine neue Kunstform gefunden. Er hat mich gekauft, denn das war seine PR-Betrachtung: Sich selbst loben, indem er andere obidraht.

Waren Sie ihm böse?

Aber nein. Rainer ist ein emotionaler Mensch und einer, dessen Werk mir immer Impulse gegeben hat.

Die Kunst oft eine quasireligiöse Disziplin, der man sich am besten kniend zu nähern hat. Der Humor in Ihrem Werk steht dazu in krassem Gegensatz.

Humor, und die Ironie!, sind ein wichtiger Bestandteil besonders der kritischen Kunst, um sich selbst nicht zu überhöhen. Die Selbstüberhöhung des Künstlers bewirkt eine Erniedrigung der Kunst. Von außen betrachtet ist so ein Künstler eine lächerliche Figur. Er schadet der Wirkkraft der Kunst, und es ist wie mit dem Stolz: Stolz ist eine Einschränkung der Kunst.

In der aktuellen Ausstellung sind Fotos der Gruppe „Salz der Erde“ zu sehen, der Sie angehörten. Fotos von Männern mit entblößtem Geschlecht, fast undenkbar heute in züchtig-puritanischen Zeiten.

Wenn Sie ins Netz gehen, finden Sie viel Pornographie . Die Gesellschaft ist so vielschichtig, da gibt es alles. Wer sich dann über die Vielschichtigkeit aufregt, der beschneidet sich nur selbst.

Heute ist die Kunst stark auf den neoliberalen Markt ausgerichtet. „Netzwerken“ statt sich selbst gefährdende Aktionen und fröhliche Abende. Hätte Ihr Aktionismus heute andere Ziele?

Das hängt sehr von der Persönlichkeit des Künstlers ab, welche Ziele er mit seiner Kunst verfolgt. Aber ja, wenn das Kommerzielle den Ehrgeiz dominiert, ist der Beigeschmack unangenehm.

Sie gingen als Künstler einen sehr eigenständigen Weg. Sind Sie in der Rückschau zufrieden damit?

Ich bin ich, was soll ich sonst sein? Und „Zufriedenheit“ schreibt man zu einem Künstler besser nicht hin, sonst haaßt´s gleich, so, jetzt gibt er auf. Wobei ich Zufriedenheit ja als Ausgangspunkt für Veränderung sehe.

Mit JOHANN JASCHA sprach Christian Pichler

Das könnte Sie auch interessieren