Die großartige Donna Leon und das liebe Federvieh

Eine Serie zum 155. Geburtstag des VOLKSBLATTS – Redakteure geben Einblicke in ihre Arbeit

Mit Donna Leon im Gespräch: Mariella Moshammer (vorne li.) und Melanie Wagenhofer – und wie immer genial hinter der Linse: Andreas Röbl
Mit Donna Leon im Gespräch: Mariella Moshammer (vorne li.) und Melanie Wagenhofer – und wie immer genial hinter der Linse: Andreas Röbl © Andreas Röbl

So ein Journalistenleben ist gesäumt von vielen spannenden Begegnungen und Ereignissen, vieles davon bleibt unvergessen. An einiges, das mich abseits großer tagespolitscher Themen sehr bewegt und beeindruckt hat, möchte ich mich mit Ihnen gemeinsam erinnern. Offenheit und Neugier im positiven Sinne sind die Voraussetzungen dafür, jeden Tag Neues zu erfahren, zu lernen, und das macht diesen Beruf zu etwas ganz Besonderem.

„Don´t be a silly goose“ (frei übersetzt „Sei kein dummes Ganserl“), kam als Antwort, nachdem ich ihr per Email kundgetan hatte, welche Ehre es für mich wäre, mit ihr ein Interview führen zu dürfen. Als wir uns dann trafen, forderte sie uns auf, ihr eine der Enten, die sich rund um und im Wassergraben von Schloss Bernau in Fischlham tummelten, einzufangen. Sie wollte das Tier auf den Arm nehmen und so eine interessante Aufnahme von sich selbst inszenieren.

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Alles nicht notwendig, die Frau ist auch ohne jeden Schnickschnack über alle Maßen interessant: Die persönliche Begegnung mit der großen US-amerikanischen Schriftstellerin Donna Leon, die seit Jahrzehnten mit ihren Brunetti-Krimis Millionen Leser begeistert, steht ganz oben auf meiner Liste unvergesslicher Erlebnisse. Ihre zweite große Leidenschaft neben dem Schreiben, die Alte Musik, führte Leon 2022 nach Oberösterreich, sie begleitete das unter ihrer Schirmherrschaft stehende Ensemble Il Pomo d´Oro zum neuen Festival Ars Concordia, wo sie auch aus ihren Werken las. Leon, damals knapp 80, begeisterte uns – meine Kollegen Mariella Moshammer, Andreas Röbl und mich — mit ihrer Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit und ihrem großen Wissen und Interesse an allem, was sich in der Welt so tut.

Überhaupt sind es oft die großen Kulturmenschen, die sich – im Gegensatz zu mancher Befürchtung und neben diversen kurzzeitig aufleuchtenden Sternchen (prominenten Eintagsfliegen) – als so gar nicht abgehoben erweisen. Die österreichische Schauspielerin Adele Neuhauser ist auch so eine, die einem stets auf Augenhöhe und sehr herzlich begegnet. Ja, und manchmal ergeben sich sogar fast so etwas wie persönliche Verbindungen: etwa, als sich im Interview mit VALIE EXPORT herausstellte, dass sie in derselben Wohnung groß geworden war, die ich viele Jahre später bewohnte. Wenn man da nicht hervorragend Erinnerungen austauschen kann …

„Kleine Leute“, die zu großen Helden werden

Und dann sind es oft gerade die sogenannten „kleinen Leute“, die mit ihrem Schicksal, ihrem Mut und ihrem Einsatz beeindrucken: Elyas Jamalzadeh kam 2014 als Flüchtling, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, nach Österreich, und wurde mit seiner Geschichte erfolgreicher Buchautor („Freitag ist ein guter Tag zum Flüchten“).

Bei der Flucht übers Meer wäre er beinahe ertrunken. Neugierig, mutig und offen hat er es geschafft, sich in Österreich eine neue Existenz als Friseur aufzubauen und spricht mittlerweile breiten Dialekt. Geheiratet hat er eine junge Frau aus Bad Goisern, jenem Ort, wo man ihn und seine Familie nach der Flucht so herzlich aufgenommen hat. Sein Buch ist ein Bestseller geworden. Oder jene Mutter, deren kleiner Sohn Daniel schon während der Schwangerschaft im Bauch am Herzen operiert wurde.

Das Team um Primarius Gerald Tulzer, Leiter des Linzer Kinderherzzentrums, leistete Großartiges. Wir durften den ein paar Monate alten, tapferen kleinen Buben und seine großartige Mutter Claudia Wittmann im Krankenhaus besuchen. Momente, in denen man selbst die Tränen nicht zurückhalten kann. Ein Jahr später trafen wir die Familie wieder und erlebten einen aufgeweckten, kleinen Kerl, der, nachdem er weitere Eingriffe gut überstanden hatte, künftig ein normales Leben führen können wird.

Schräge Vögel und besondere Schätze

Über Sammler und Bastler, denen ich im Laufe meines Berufslebens begegnet bin, könnte ich schon ein ganzes Buch schreiben, so, wie ich es mit Porträts heimischer Landwirte, mit deren Erzeugnissen wir uns völlig autark versorgen könnten, Ausflugszielen und „Dingen, die man als Oberösterreicher getan haben muss“ bereits gemacht habe, die immer wieder auch VOLKSBLATT-Magazine füllten. So mancher leidenschaftliche Hüter besonderer Schätze hat schon die Türe für mich geöffnet und mir seine Kostbarkeiten gezeigt: von der Autogrammsammlerin über den „radio-aktiven“ Bastler, von der Krippenkünstlerin bis zum Lokomitivfan.

Im Einsatz gegen das Vergessen

Mein Beruf machte es mir möglich, immer wieder in eine Zeit einzutauchen, die mich als studierte Historikerin seit jeher besonders interessiert hat: der Nationalsozialismus. Beeindruckend die Begegnung mit und der Einsatz von Erna Putz, die sich als Jägerstätter-Biografin einen Namen weit über Österreich hinaus gemacht und unerschütterlich für die NS-Opfer im Einsatz ist. Da ist fast so etwas wie eine Freundschaft, zumindest jedoch Verbundenheit entstanden. Schreibend durfte ich Einrichtungen wie das Institut Hartheim, das Jägerstätter Institut, aber auch Zeitzeugen begleiten. Das Geschehene hinauszutragen und nichts dem Vergessen zu überlassen, ist und bleibt ein großes Anliegen.

Von Melanie Wagenhofer

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