Die herrlich doofe Liebe: Ein „Sommernachtstraum“ im Landestheater Linz

Junges Theater: Premiere der sensationellen, erquickenden Shakespeare-Variante in den Kammerspielen

Wer mit wem? Schwer zu sagen. Der Puck (Gemma Vannuzzi) ergötzt sich am Liebeschaos. © Philip Brunnader

Die x-te, die abertausendste Variante von Shakespeares „Sommernachtstraum“. Was ist groß zu erwarten? Ein netter Theaterabend, vielleicht. Zumal „interdisziplinär“, das kann sogar mühsam werden.

Drei Sparten des Landestheaters Linz sind beteiligt, TANZ LINZ, das Opernstudio und das Junge Theater. Viel Aufwand, um die eh schon verwirrende Story zusätzlich aufzublasen?

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80 Minuten pure Theaterlust

Blödsinn! „First Love – Ein Sommernachtstraum“ in der Fassung von Nele Neitzke und Regisseur Martin Philipp ist eine Wucht. Geradezu anarchische Spiellust der Akteure, doch präzise greift ein Rädchen ins andere, wird dem zu Recht enthusiasmierten Publikum der ganze Wahnsinn, die Lächerlichkeit und ein bisserl auch die Schönheit der romantischen Liebe serviert. 80 Minuten pure Theaterlust, Premiere war am Freitag in den Linzer Kammerspielen.

Jemand muss putzen

Ehe die werten – oho! – Schauspieler die Bühne betreten, räumt die Putzfrau den letzten Unrat weg. Gemma Vannuzzi wird den beengenden Overall der Reinigungskraft bald ablegen, sie führt dann als bezaubernder Puck auf High Heels durch die turbulente Story.

Eine Story? Mindestens drei. Ein Spiel auf mehreren Ebenen, sechs Jugendliche haben Mist gebaut. Zur Strafe müssen sie ein arg verstaubtes Stück einstudieren. Begehren und Liebesschmerz samt Mitleid heischendem Liebestod, dargeboten in elend altertümlicher Sprache. „Bullshit“, knurrt der coole Oberon, aber auch er muss mitspielen.

Miserables Theater gut zu spielen ist große Komödienkunst! Leere dramatische Gesten verdecken den Mangel an Leidenschaft, der Puck greift ein. Der Puck ein Waldgeist, ein (für die Akteure) unsichtbarer Kobold, der den Jugendlichen echtes, zügelloses Begehren injizieren wird: Mit dem Sprühwasser der Putzfrau, das nun ein Zauberspray ist.

Wer begehrt wen? Die Natur treibt’s, wie es ihr gefällt. Verzehrende Liebe schlägt um in Herzenskälte, wenn die Hormone purzeln oder der Puck mit dem Finger schnippt. Die sehr kecke Titania (blond und wild: Angelica Mattiazzi) schmachtet tatsächlich nach einem Esel (putzig mit Langohr und Eselsmaul: Ilia Dergoussoff). Ein Schelm, wer bei dieser Partnerwahl nicht an reales Leben denkt!

Ich liebe dich – nicht!

Lysander (Friedrich Eidenberger) und Hermia (Sofie Pint) wären ein schönes Paar, aber die Liebesinteressen kreuzen sich bald mit denen von Helena (Saskia Maas) und Demetrius (Christoph Gerhardus). Fast alle lieben Helena, oder liebt plötzlich der Demetrius den Lysander? Ein babylonisches Sprachgewirr des Begehrens: „Ich liebe dich!“ „Ich liebe dich nicht!“ „Ich liebe MICH!“

Der Puck hat sein Werk getan, das Liebeschaos vollendet. Eine letzte Zauberei, wiederum feine Ironie. Das Publikum hat gezahlt, das Publikum bekommt sein Happyend, die „Richtigen“ finden zueinander: die Wilden, die Schönen, die Braven.

Und die E-Gitarre jault

Martin Philipp inszeniert rasant, integriert auch schön die lyrischen Phasen. Maas und Gerhardus singen solo und im Duett, huldigen der Liebe mit Musik von Henry Purcell. Marc Reibel hat diese Musik bearbeitet und leitet das kleine Ensemble „The Teachblossoms“. Knackige Tanzchoreografien von Yuko Harada, die E-Gitarre jault, wenn die Akteure in Nebelschwaden und surrealem Sommernachtstraum versinken.

Ein beglückendes Theatererlebnis für Leute von 13 bis 113. Sehr langer, sehr heftiger Beifall für ein wunderbares Team. Vorstellungen bis 23. Juni.

Von Christian Pichler

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