Kein zynischer, kalter Verführer, sondern eher ein kleinspuriger, etwas haltloser Lebemann ist Don Giovanni in der Inszenierung von Elisabeth Stöppler in der Grazer Oper. Er macht gerne Party, die Frauen sind zwar Opfer, aber keineswegs unschuldig, und mit dem Handy gefilmt wird gerne und oft. Das ergab am Samstag eine Premiere, die schlüssig war und mit feiner Musikqualität aufwarten konnte.
Ein weißes Haus, das aus ineinandergeschachtelten Rechtecken besteht, auf unterschiedlichen Ebenen bespielt werden kann und immer wieder Einblicke in das (Innen)-Leben der Figuren bietet und sich dank der Drehbühne ständig aus anderen Perspektiven zeigt: Während der Ouvertüre sah man die Darsteller auf unterschiedlichen Ebenen im und um das Haus stehen, sitzen, sich langweilen, abwarten. Eine Ruhe, die schon bald von Don Giovanni gestört wurde, der Aufregung, Leidenschaft und letztlich auch Tod bringen würde.
Donna Anna wird keineswegs vom Verführer überwältigt, sondern sieht aus wie eine blonde Hollywood-Glamour-Schönheit. Sie spielt in schwarzen Dessous neckische Spielchen mit dem Unbekannten, lässt sich von ihm filmen und ist peinlich berührt, als der Vater auftaucht. Don Giovanni tötet ihn hier eher unabsichtlich, bei einem Gerangel geht die Pistole des Komturs los und trifft ihn selbst. Hilflos kniet der Täter neben dem Toten, fast muss ihn Leporello wegzerren.
Donna Elvira ist eine elegante Frau, die sich gerne amüsiert und sauer ist, weil ihr Liebhaber verschwunden ist. Sie wirkt auch am Ende nicht wie ein Racheengel, sondern eher wie eine unglücklich Liebende. Auch Zerlina blieb von der Umdeutung der Frauenfiguren nicht verschont, sie wird als ziemlich gleichgültiges, praktisches Bauernmädchen gezeichnet, dem auch Masetto nicht sehr viel bedeutet.
Zwischen diesen Frauen wechselt Don Giovanni hin und her, für ihn scheint alles eher ein Witz zu sein, nicht einmal die drei Masken auf der Party können ihn schrecken. Am Ende ist aber Schluss mit lustig, wenn Anna, Elvira, Ottavio, Zerlina und Masetto ganz in Schwarz mit Masken erscheinen und wie ein Mittelding aus Ninja-Kämpfern und Jihadisten aussehen. Der Tod ist brutal und genauso kalt wie das Leben hier war.
Auf der weißen Bühne (Annika Haller) entfalten die klaren Farben der Kostüme (Su Siegmund) große Wirkung: Donna Anna in Königsblau, Donna Elvira in grellem Fuchsia, Zerlina in Gelb, Masetto in Grün, Ottavio in Hellblau – alle sehr schön in unterschiedlichen Stilen, nur Don Giovanni wirkt mit seiner schlampigen Freizeitkleidung inklusive Kapuzenjacke fehl am Platz.
Musikalisch konnte die Aufführung durchaus punkten, ging Dirigent Andrea Sanguineti die Sache doch ziemlich dramatisch und temporeich an. Er setzte auch in den Rezitativen – garniert mit Musik, die nicht aus der Oper stammte – deutliche Akzente. Zwischendurch konnte er die Spannung nicht immer halten, manches hing ein wenig durch, einige Details hätte man sich deutlicher gewünscht. Alles in allem boten die Grazer Philharmoniker aber ein ansprechendes Gesamtbild.
Ein echtes Highlight waren die beiden Arien des Don Ottavio, die Pavel Petrov ungemein nuancenreich und spannend mit weich dahinströmender Stimme gestaltete. Anna Brull als lebhafte Donna Elvira überzeugte mit kraftvoller Stimme und zupackendem Spiel, während Katerina Tretyakova (Donna Anna) sanfter und silbriger klang. Als Don Giovanni konnte Alexey Birkus mit geschmeidigem, wenn auch nicht allzu farbenreichem Bariton überzeugen, Neven Crnics Leporello klang kernig und sicher. Eva-Maria Schmid (Zerlina) sang ordentlich, aber – rollengemäß – unauffällig, Darius Perczak (Masetto) fügte sich ebenso wie Dmitrii Lebamba (Komtur) samt stummem Double (Rudi Widerhofer) in das gelungene Gesamtbild ein.