Die ÖNB feiert Bruckner als konservativen Revoluzzer

Jahresjubilar Anton Bruckner im Glanze des ÖNB-Prunksaals © APA/Martin Fichter-Wöß

Vermutlich hätte das dem braven Oberösterreicher vom Land gefallen, der doch stets so gerne in Wien reüssieren wollte: Im monumentalen Prunksaal der Nationalbibliothek ist Anton Bruckner ab dem morgigen Donnerstag die große Jubiläumsausstellung „Der fromme Revolutionär“ gewidmet, die den 200. Geburtstag des Titelgebers feiert – und das mit zahlreichen Preziosen.

Die Basis für die umfassende Schau, die sich chronologisch an Bruckners Biografie orientiert, stellte die nach weiten Kriterien gerechnet mehrere Tausend Objekte umfassende Sammlung der ÖNB dar, die Handschriften praktisch aller Hauptwerke des Komponisten beinhaltet. Herzstück der Schau ist mithin die Präsentation aller 9 Symphonien im Original.

„Die Würdigung ist für uns nahezu eine Verpflichtung, findet sich doch in unserem Bestand die größte Bruckner-Sammlung weltweit“, machte ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger am Mittwoch bei der Präsentation deutlich. So hatte Bruckner selbst einst seinen Nachlass der damaligen k.k. Hofbibliothek überantwortet.

Ein Schritt, der zum kaisertreuen Katholiken passte, der Bruckner stets blieb – und doch in seinem Oeuvre weit darüber hinaus ging. Diese tiefe Spannung im Wesen des Tonsetzers zwischen musikalischem Erneuerer und bescheidenem, religiösen, provinziellen Menschen, dem Wien fremd blieb, drückt sich bereits im Untertitel des „Frommen Revolutionärs“ aus.

Während er zeitlebens privat ein eher konservativer Mensch war, der in Liebesdingen ebenso unbeholfen agierte wie in der unterbliebenen Anpassung an das großstädtische Leben der Habsburger-Metropole, wurde die Kunst das Experimentierfeld des am 4. September 1824 in Ansfelden Geborenen. „Das ist die Bereich, wo er neue Wege beschritten hat und aus dem Überlieferten ausgebrochen ist“, so Kurator Thomas Leibnitz, der auch Vorstand der internationalen Bruckner-Gesellschaft ist.

Video
Ich möchte eingebundene Social Media Inhalte sehen. Hierbei werden personenbezogene Daten (IP-Adresse o.ä.) übertragen. Diese Einstellung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in der Datenschutzerklärung oder unter dem Menüpunkt Cookies geändert werden.

Allerdings kam es erst spät zu diesem (Auf)bruch im Werk. „Bruckner hat einen langen Lernprozess durchlaufen. […] Um die 40 – ein Alter, das Mozart oder Schubert gar nicht erreicht haben – bricht seine Individualität auf“, skizzierte Leibnitz den Weg des einstigen Sankt Florianer Chorknaben über den Organisten in Linz in die Musikstadt Wien – ein Schritt, der erst 1868 mit Mitte 40 erfolgte.

Dieser Werdegang und die ungewöhnliche Dichotomie aus Persönlichkeit und Werk wird in der rund 130 Objekte umfassenden Schau ebenso nachgezeichnet wie die Rezeption des Komponisten zu Lebzeiten und auch darüber hinaus. „Wir zeichnen kein neues Bruckner-Bild, sondern bieten eine Integration der bestehenden“, machte Leibnitz deutlich. Und diese Facetten reichen vom vermeintlichen Vertreter des Echten und Guten im Gegensatz zur Neuen Musik von Schönberg (Stichwort: Der Musikant Gottes) über die Stilisierung zum urdeutschen Tonschöpfer, den die Nazis aufs Tapet hoben, bis hin zur Erweiterung des Blickes um psychologische Aspekte in den vergangenen 50 Jahren.

All das wird in der umfassenden Schau mittels teils unbekannter Fotografien, einem Porträt, alltäglichen Dokumenten wie den wertvollen Originalmanuskripten und einiger weniger Briefe beleuchtet. „Bruckner war kein großer Briefschreiber, und nur wenige Briefe geben Einblick in sein Innerstes“, machte Co-Kuratorin Andrea Harrandt dabei deutlich, weshalb die persönlichen Eindrücke aus der Hand des Meisters nur eine Randnotiz in der Ausstellung bleiben. Bruckner sprach eben durch sein Werk. Und wer dieses nicht persönlich im Prunksaal besichtigen kann, für den steht das Portal „Bruckner Digital“ (onb.ac.at) offen, in dem sich Scans der Schriften finden.

„Anton Bruckner. Der fromme Revolutionär“ im Prunksaal der ÖNB, 1010 Wien von 21. März 2024 bis 26. Jänner 2025. Dazu erschienen der Katalog „Anton Bruckner. Der fromme Revolutionär“ (hrsg. von Andrea Harrandt und Thomas Leibnitz), Residenzverlag, 256 Seiten, 34,90 Euro. onb.ac.at

Das könnte Sie auch interessieren