Die Rache zerbricht ihr Leben

Landestheater Linz zeigt „Elektra“ im Netz

Elektra (Isabella Campestrini) © Karin Waltenberger

Sitzungen via Internet, Online-Meetings etc. sind für viele Alltag geworden. Das auch in der Freizeit? Wenn uns das vergangene Jahr eines von vielen Dingen gelehrt hat, dann, dass es lohnend sein kann, sich auf Neues einzulassen.

Also dieses Mal Theater als Online-Meeting (nicht zu verwechseln mit einem Online-Meeting, das zum Theater wird).

Im Auge der Schauspieler

Ab 19. Mai kann sich wieder in Theatersäle gestürzt werden, Schauspielern direkt ins Auge, und wenn sie gut sind, in Herz und Seele geschaut werden. Solange das nicht geht, ist Erfindertum ein guter Partner. Und den hatten Nele Neitzke und ihr Team für eine Aufführung von „Elektra“ nach Hugo von Hofmannsthal im Netz aus dem Linzer Landestheater — keine abgefilmte Bühnenversion, sondern extra fürs Netz konzipiert und auf der Konferenzplattform Zoom mit dem Publikum als Teilnehmer übertragen. Wenn man das „Plus2“-Paket gebucht hat, beginnt „Elektra“mit Post aus dem Theater: Wein, Stoffserviette, Kerze im königlichen Teelichthalter. Ein durchdachtes und liebevolles Extra, das gut einstimmt.

Eines noch vorweg — auch nach Monaten des Ausweichens in die weite Welt des Internets, die Technik bleibt ein Hund! Etwas mühsam müssen Einstellungen etc. erklärt werden und schiefgehen kann trotzdem immer was: Aber warum soll es im Theater anders sein als im Homeoffice. Und im besten aller Fälle raschelt daheim niemand mit einem Hustenzuckerlpapier neben Ihnen.

Zur Aufführung: Elektra (Isabella Campestrini) tritt vor ihre Kamera aus Zelle 1. Sie und ihre Schwester Chrysothemis (Sofie Pint) sind weggesperrt, Zoom die einzige Möglichkeit zu kommunizieren. Elektra kommt uns Zuschauern vor unseren Bildschirmen ganz nahe, eindringlich ihre Worte. Sie verzweifelt über dem Tod ihres Vaters, ihre Schwester will leben, ist mitgefangen. „An uns denkt niemand.“ Königin Klytämenstra und ihr neuer Mann Ägisth haben die Mädchen nach dem Mord an Agamemnon weggesperrt, Sohn Orest (Friedrich Eidenberger) ist nicht mehr da.

„Wie beide müssen es tun“, reagiert Elektra auf Orests vermeintlichen Tod. Der Bruder hätte Rache genommen, nun will Elektra das übernehmen. Auch als Orest auftaucht, erkennen sich die Geschwister zuerst nicht mehr: tiefste Trauer, Einsamkeit, Verzweiflung, Hass, Ausweglosigkeit, Rache, Wahnsinn treiben sie auseinander. Das Leben zerbricht an der Tragödie und am Wunsch, sie zu rächen

Es liegt stark an der eindringlichen Leistung der drei Darsteller, die trotz Zoom in den Bann ziehen können, dass das Landestheater die Weiten des Netzes mit „Elektra“ überwinden kann.

Wie geht virtueller Applaus? Klatsch, klatsch, klatsch!

Am 6., 7., 12., 14., 20. und 21. Mai (bis 9. Juli, jeweils 20 Uhr)

Von Mariella Moshammer