„Die Schule“ als gebrochenes Mosaik

Peter Androschs überbordende Opernuraufführung am Sonntag im Musiktheater

Die Institution Schule wird in dem Werk auch hinterfragt. © Sakher Almonem

„Die Schule oder das Alphabet der Welt“, ein „Musiktheater“ des Linzer Komponisten Peter Androsch, feierte am Sonntag in der Blackbox des Linzer Musiktheaters eine erstaunliche, vom Publikum freundlich aufgenommene Uraufführung. Zu bestaunen gab es in gut zwei Stunden ohne Pause vieles: Vor allem, in welcher Art und Weise der universelle Anspruch des Titels „Alphabet der Welt“ von dieser Paraphrase auf die kleine Welt „Schule“, in der die große ihre Probe hält, eingelöst wird – oder auch nicht. Androsch baut sein Werk im Sinne der zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen Stilrichtung „Musiktheater“, die vor allem eine Gleichberechtigung von Musik, Sprache und Bühne fordert.

Auslösendes Motiv für die Komposition war und ist die Geschichte des Akademischen Gymnasiums Linz allgemein und im Speziellen die Zeit von 1918 bis 1945 mit Ausblicken aufs Heute. Das Geschehen pendelt zwischen dem „Schülerchor“, aus dem heraus auch Sprech- und Gesangssolisten agieren, einem Erzählerpaar und einem Kammerorchester. Inhaltlich ist es ein Versuch, die Institution Schule grundsätzlich zu hinterfragen, und zwar auch durch die Verknüpfung mit Einzelschicksalen ganz unterschiedlicher Persönlichkeiten (Lehrende wie Lernende) vor dem Hintergrund der politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts.

Zu bestaunen ist, wie unbekümmert hier der Charakter von Universalität (ABC der Welt) angestrebt und fast naturgemäß nicht erreicht wird; zum Staunen ist die Ausstattung des Chors, die von überdimensionalen Schultüten und kindisch-kindlichen Uniförmchen einer altertümlichen Primärschule dominiert wird: Assoziationen an ein „akademisches“ Gymnasium stellen sich da nicht ein. Das Klischee setzt sich fort in der überspitzten Satire des Schulbetriebs, die sich teils in unverständlichem Gebrüll der Schüler, aber auch in berührenden Szenen äußert.

Androschs Musik steckt ein weites Terrain ab

Staunenswert schließlich Androschs Musik, die ein weites Spektrum erfasst: Bis zur Unerträglichkeit perpetuierte, pochende serielle Elemente in vertrackter Rhythmik finden sich genauso wie simple Moritaten und stereotype Klagelaute; aber auch recht harmonische Duette, komödiantische Arien und der tiefgründige Schluss-Choral. Zum Verständnis dieses Mosaiks von Ein- und Ausdrücken unabdingbar sind die Erzählenden: Eva-Maria Aichner und Horst Heiss glänzen durch Engagement und Wortdeutlichkeit.

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Die sechs Mitglieder des Opernstudios, allen voran Florence Losseau mit ihrer augenzwinkernden „Jahreszeugnis“-Arie, geben ihren Schülertypen gutes Profil. Aus den sieben Damen und Herren „Sprecher“ ragt der „Stotterer“ Jakob K. Hofbauer hervor, indem er – ohne Stottern – einen mythologischen Exkurs glänzend gestaltet. Der Chor, einstudiert von Martin Zeller, agiert solide; die Kammerformation des Bruckner Orchesters unterwirft sich, temperamentvoll dirigiert von Jinie Ka, diszipliniert den teilweise rabiaten Partitur-Anforderungen. Fazit: Das Fehlen einer stringenten dramaturgischen Linie wie Überborden von ungleichgewichtigen Aussagen, die auch durchaus berechtigte Kritik umfassen, lassen vom vielgestaltigen Mosaik „Schule“ in dieser klischeehaften Inszenierung (Andreas von Studnitz) nur Bruchstücke zur Geltung kommen.

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