Die Vertreibung aus dem sinnlichen Wirbel

Weniger, als gewollt war: „Babylon“ verliert sich in Maßlosigkeit

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Zuerst Party, dann Kater; nach dem Himmel des Ruhms kommt der Schlund der Hölle. Eine der Weisheiten, die Damien Chazelle — 2016 bekam sein „La La Land“ u.a. den Oscar für die beste Regie — seinem Publikum in „Babylon — Rausch der Ekstase“ mitgibt. Für Drehbuch und Regie verantwortlich, will er mit „Babylon“ sehr viel, katapultiert Darsteller und Zuseher hoch hinaus und dann: der Fall.

Drei Figuren stellt der 38-jährige Filmemacher in den Mittelpunkt und in eine Zeit, die für die Filmbranche einen epochalen Umbruch bedeutete. Der Mexikaner Manny Torres (Diego Calva) jobbt als Mädchen für alles in der Filmbranche. Wir sind in Hollywood, wir schreiben das Jahr 1926, die Stars in den Filmen sind noch ohne Stimme, aber umso glamouröser. Und sie wissen zu feiern. Manny lässt Möchtegern-Sternchen Nellie LaRoy (Margot Robbie) auf eine Party, die alles kann, was eine Party können muss: coole Musik, nackte Körper, viel Ekstase, noch mehr Drogen — und einen Elefanten. Mittendrin in dem — so wortwörtlich ist das selten gemeint — Treiben: Superstar Jack Conrad (Brad Pitt). Alleine seine Ankunft im Cabrio und mit zeternder Frau am Beifahrersitz, der er permanent auf Italienisch kontert, zeigt, warum mancher Film alleine wegen dem älter und irgendwie besser gewordenen Pitt sehenswert ist.

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Das Leben ist also wie Film und Kino

Im Laufe des Films wird aus Nellie ein Star, aus Manny ein Studioleiter und aus Jack ein gesunkener Stern. Als der Tonfilm alles über den Haufen wirft, was bisher galt, und die Moral immer größer geschrieben wird, kommen Nellie und Jack ins Straucheln. Chazelle stellt zwei Welten gegenüber: ein ganzer Landschaftsstreifen als gleichzeitiger Drehort für mehrere Stummfilme, Jahrmarktstimmung, Hektik und Wahnsinn. Dann die sterilen Aufnahmen im Studio ohne jegliche Freiheit für Darstellerin und Regisseurin, der richtige Ton ist entscheidend.

Das ist es, was Chazelle perfekt beherrscht, die Partyszene, den Stummfilmwahnsinn, auch den Witz in der Studioszene. Hier heißt es als Zuseher, sich fallen lassen. Doch leider ist es der Regisseur selbst, der mit einem Zuviel an allem und einem gefühlt ewigen Verweilen in Einstellungen und Szenen aus diesem sinnlichen Wirbel reißt. Vieles wird übererzählt, in der Maßlosigkeit gehen gute, ruhige und kritische Momente verloren, aber auch Leckerbissen wie der Auftritt von Tobey Maguire oder die vielen Referenzen an reale Vorbilder.

Was wissen wir nach drei langen Stunden? Das Leben ist also wie Film und Kino, Film und Kino sind also wie das Leben, oft bleibt nur zu weinen und zu lachen und das gleichzeitig. Das Publikum zeigt Chazelle auch. Das will unterhalten werden, will nicht wissen, was sich hinter den Kulissen abspielt. Gerade jetzt hat uns die Realität hier eines Besseren belehrt.

Spätestens nach der von Zeichen und Selbstreferenzen überbordenden Schlusssequenz ist klar: Das ist weniger geworden, als gewollt war.

Von Mariella Moshammer

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