Düster: Lazars „Nebel von Dybern“ im Grazer Schauspielhaus

Im „Nebel von Dybern“: Otiti Engelhardt, Tim Breyvogel © APA/APA / Schauspielhaus Graz/Lex Karelly

91 Jahre nach dem Verbot durch die Nazis ist am Freitag im Grazer Schauspielhaus Maria Lazars Drama „Der Nebel von Dybern“ nun doch aufgeführt worden. Dass 1933 eine Dystopie um einen giftigen Nebel und daraus folgende Veränderungen der Gesellschaft keine Chance hatte, gespielt zu werden, ist nicht verwunderlich. Umso erfreulicher nun die Aufführung, die durch ihre schlichte Sprache und die knappe Regie von Johanna Wehner eindringlich und in ihrer Strenge bedrückend wirkt.

In Dybern wabert ein seltsamer Nebel, Menschen sterben, Tiere ebenso. Gerüchte machen die Runde, Mutmaßungen, eine lähmende Stimmung ist spürbar. Ist der Nebel wirklich eine Naturgewalt oder doch von Menschen verursacht? Zunächst wird im Gasthaus nur diskutiert, doch die Unsicherheit ist fast körperlich spürbar: „Da wird immerzu geflüstert und getuschelt, ich spür’s schon auf der Haut“, meint Kathrine, die wie eine Mischung aus Wahrsagerin und Prophetin ihre Sätze einstreut. Bald stellt sich heraus, dass der Nebel auf die Chemiefabrik zurückzuführen ist. Der Generaldirektor der Fabrik leugnet alle Zusammenhänge, insgeheim wurden aber schon längst Schutzmaßnahmen getroffen, Gasmasken bestellt und ein Schutzraum unter der Erde gebaut. Je gefährlicher die Lage wird, umso egoistischer werden die Menschen, umso mehr verhärten sich die Gefühle.

Profitgier, Verdrängung, Leugnen, Angst – all das ergibt ein giftiges Gebräu, dass das Leben in Dybern fast unmöglich macht. „Ich will hier kein Kind aufziehen“, sagt die schwangere Barbara zu ihrem Mann gegen Ende des Stücks, und sie meint nicht nur den tödlichen Nebel, sondern auch die tödliche Gesinnung, die da herrscht und die Maria Lazar dazu zwang, nach Dänemark auszuwandern. Ihr Drama, das unter dem Eindruck der Giftgas-Angriffe im Ersten Weltkrieg entstanden war, konnte zwar 1933 in Stettin uraufgeführt werden, zur geplanten Aufführung in Graz kam es nicht mehr.

Die Sprache ist schlicht und unverschnörkelt, vieles wird lange nur angedeutet, einiges bleibt ungesagt, aber vermutet. Regisseurin Johanna Wehner kam ohne große Effekte aus, setzte auf Präzision, wirkungsvolle Pausen und starke Momente durch Musik. Neun Personen zeigen die ganze Gesellschaft und spannen den Bogen von der zugewanderten Frau ohne Familie bis zum Fabrikchef und seiner Ehefrau. Die seltsam dekadenten Kostüme mit Spitzen- und Glitzerstoffen in Rost- und Rosé-Tönen (Miriam Draxl) vermitteln optisch einen geschlossenen Eindruck, stehen aber im Gegensatz zum schlichten Ambiente (Bühne: Benjamin Schönecker) und der fast urgewaltigen Sprache.

Das Ensemble bietet im Gesamten eine großartige Leistung. Marielle Layher (Barbara) spiegelt die Entwicklung des Grauen in ihrem persönlichen Schicksal, Anke Stedingk (Katherine) gibt eine düster-weise Frau, Tim Breyvogel (Generaldirektor) zeigt einen glatten Chef, dessen Entscheidungen sich gegen die eigene Familie wenden. Sebastian Schindegger gibt einen leidgeprüften, weil machtlosen Arzt und Otiti Engelhardt (Clarisse) zeichnet eine unwissende, aber mitfühlende Frau des Generaldirektors. Thomas Kramer (Jan) wehrt sich als aufmüpfiger Fabriksarbeiter gegen die Nichtinformationen, Mario Lopatta (Josef), Simon Kirsch (Alexis) und Anna Klimovitskaya (Heilsarmeeschwester) ergänzen das hervorragende Team.

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Es hat sich gelohnt, den Text von Maria Lazar in Graz im zweiten Anlauf auf die Bühne zu bringen, denn der Abend ist in aller Düsternis und Beklemmung ein zeitlos-aktueller Blick auf die Gesellschaft.

(Von Karin Zehetleitner/APA)

„Der Nebel von Dybern“ von Maria Lazar. Regie: Johanna Wehner, Bühne: Benjamin Schönecker, Kostüme: Miriam Draxl. Besetzung: Kathrine: Anke Stedingk, Josef: Mario Lopatta, Barbara: Marielle Layher, Jan: Thomas Kramer, Dr. Thomsen: Sebastian Schindegger, Clarisse: Otiti Engelhardt, Generaldirektor: Tim Breyvogel, Alexis: Simon Kirsch, Heilsarmeeschwester: Anna Klimovitskaya. Grazer Schauspielhaus. Nächste Vorstellungen: 13., 16.2., 2.3., schauspielhaus-graz.buehnen-graz.com

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