Echt oder nicht echt, das ist keine Frage

Porträtfilm „Lars Eidinger — Sein oder nicht sein“ von Reiner Holzemer

Ein Darsteller durch und durch: Lars Eidinger
Ein Darsteller durch und durch: Lars Eidinger © Filmladen

Ist das echt? Leidet der Mensch, der Hamlet spielt? Hat derjenige, der den Jedermann gibt, Todesangst? Findet der Darsteller von Richard III. den Schmerz seiner Bühnenfigur in sich selbst, oder ist es schlicht erlernte Technik, die uns im Zuschauerraum erschaudern lässt?

Wer Lars Eidinger auf einer Bühne gesehen hat, hat sich diese Fragen vielleicht ohnehin nie gestellt. Echt oder nicht echt, das ist bei ihm keine Frage. Dieser Mann ist bereit, sich vor einem Publikum selbst zu geben. Nun hat Regisseur Reiner Holzemer einen Film über ihn gemacht — nicht wie häufig am Ende einer Karriere, sondern auf dem Höhepunkt.

Es ist Mut, den Eidinger, geboren 1976 in West-Berlin, an den Tag legt. Als Schauspieler. Er betont, er sei auf der Bühne er selbst, er finde sein Ich darauf. In jemanden hineinschlüpfen keine Option. Das bedeutet aber auch, und daran lässt die Doku keinen Zweifel, dass Eidinger sich permanent auf Gefühle einlässt, sich mit Stärken und Schwächen konfrontiert, die ein anderer gerne verborgen in sich selbst lässt.

Der Porträtfilm „Lars Eidinger — Sein oder nicht sein“ zeigt Eidingers Anfänge an der Schauspielschule Ernst Busch, wo er den Franz Moor in Schillers „Räuber“ Bonbon-lutschend anlegte, der Leiter der Schule erinnert sich bis heute begeistert daran. Bis heute spielt der 47-Jährige an der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin seine ganz großen Rollen, hier hat er mit Intendant Thomas Ostermeier neue Maßstäbe gesetzt. International hat sich Eidinger mit Filmen einen großen Namen gemacht, Partnerinnen wie Juliette Binoche und Isabelle Huppert kommen zu Wort, seine Buhlschaft Verena Altenberger.

„Jedermann“: Voller Einsatz, kompromisslos

2021 und 2022 gab der Schauspieler den Jedermann, jene Rolle, um die sich jeder Sommer in Salzburg dreht. Auch hier: kompromisslos, voller Einsatz. Holzemer zeigt Eidinger bei den ersten Leseproben, im Gespräch mit Regisseur Michael Sturminger, und in einem Moment, in dem die Grenzen der Offenheit zu Tage treten und wohl auch die Gründe dafür. Eidinger der Jedermann, Tränen fließen übers schmerzverzerrtes Gesicht. Plötzlich sieht er, der Schauspieler, wie sein Regisseur aufsteht, mit jemanden spricht, ihn aus dem intensiven Moment reißt, ihm die volle Aufmerksamkeit verweigert. Mit einem Schlag fühlt sich Eidinger unverstanden, unbeachtet, ungeliebt — und er entlädt seine Wut.

Aufmerksamkeit ist Antrieb, sich missverstanden fühlen ein Gefühl, das er seit früh her kenne, so der Mime. So auch bei einer Pressekonferenz auf der Berlinale, da flossen Tränen bei Eidinger, Medien überzogen ihn mit Häme, es sei die gespielte Betroffenheit eines Mannes, der alles habe. Die Taschenaffäre, Eidinger auf einem Foto vor einem Obdachlosenlager mit einem Designer-Einkaufssackerl. Missverstanden fühlt er sich bis heute dafür.

Die Doku zeigt, was im Fall von Lars Eidinger hinter der Magie steckt, die einen erfassen kann, wenn man derartige Schauspieler auf der Bühne sieht. Diese Momente verlieren durch den entlarvenden Film nichts an Kraft, Eidinger, der Mensch, hält, was er als Schauspieler verspricht.

Von Mariella Moshammer

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