„Ein Weltstar mit Wurzeln in Oberösterreich“

Die vielen Künste Herbert Bayers und private Erinnerungsstücke im Linzer Lentos

Herbert Bayer, Selbstporträt, 1932
Herbert Bayer, Selbstporträt, 1932 © Bildrecht, Wien 2022

Einem Universalkünstler und Visionär aus Oberösterreich, der schon in den 1950er-Jahren künftige Mittel moderner Kommunikation treffsicher vorhersagte, widmet sich die aktuelle, vielfältige Schau im Linzer Lentos — so vielfältig wie der Künstler selbst.

„Herbert & Joella Bayer. Gemeinsam für die Kunst“ präsentiert den Bauhaus-Künstler, Maler, Fotografen, Werbegrafiker Herbert Bayer (1900-1985), mit seiner Frau Joella (1907-2004) und anderen wichtigen Lebensbegleitern rückt auch Bayers Privatleben in den Fokus.

Lesen Sie auch

Im Lentos versammelt sind mehr als 200 Werke — großartige Bilder, ikonische Fotografien, geniale Werbeplakate und Zeitschriftencover, interaktive Objekte und private Erinnerungsstücke zu einer beeindruckenden wie interessanten Gesamtschau.

Das Museum kann aus dem Vollen schöpfen

„Ein Weltstar mit oberösterreichischen Wurzeln, mit dessen Leben man eine Netflix-Serie drehen könnte“, zeigte sich Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer bei der gestrigen Presseführung begeistert.

Die Ausstellung reihe sich ins Jahr der Frauen im Lentos ebenso ein wie sie zum Schwerpunkt Bauhaus passe, so Lentos-Chefin Hemma Schmutz. Gleichzeitig gehe man damit dem Museumstrend nach, verstärkt mit eigenen Sammlungen zu arbeiten.

Das Lentos kann jedenfalls in Sachen Herbert Bayer aus dem Vollen schöpfen. Es besitzt neben dem Bauhaus in Weimar die umfangreichste Sammlung in Europa, die auf großzügigen Stiftungen der Bayers und aktuellen, vom Bund unterstützten Neuankäufen basiert. Zudem wurden Aufnahmen und andere Stücke aus dem Besitz der Familie zusammengetragen.

An ein Schaudepot (Ausstellungsdesign Nicole Six und Paul Petrisch) erinnert der erste Teil mit seinen Metallgitterwänden, die spannende Inseln zu verschiedenen Themen bilden im Großen Saal des Lentos. An den Wänden ringsum, auf tiefblauem Grund die bunten, abstrakten Gemälde Bayers mit Schwerpunkt 1970er-Jahre, die den Blick auf sich ziehen. Obwohl im Hauptberuf Grafikdesigner und Art Director, sei Bayer stets auch ein äußerst fleißiger Maler gewesen, so Kuratorin Elisabeth Novak-Thaller. Die Arbeiten im Lentos zeigen etwa Anklänge an japanische Shinto-Tore oder die Auseinandersetzung mit dem Weltall.

Werke von Bayer aus dem Bereich der Fotografie sind Ikonen derselben geworden, etwa jenes berühmte Selbstporträt, auf dem er sich als Puppe mit abgerissenem Arm aufnimmt. Die meisten gezeigten Fotografien sind erstmals in Europa zu sehen.

Cover für die Vogue, Propaganda für die Nazis

In Haag am Hausruck geboren und aufgewachsen in Ried und Windischgarsten, besuchte Bayer später die Khevenhüllerschule in Linz und absolvierte eine Ausbildung bei einem Architekten. Und schon da wurde sein großes Talent sichtbar, wie Zeichnungen aus seiner Ausbildungszeit zeigen. Ab 1921 studierte Bayer am Bauhaus in Weimar, wo er die jüdischstämmige Irene Hecht kennenlernt, die er heiratet und mit der er Tochter Julia Alexandra bekommt. 1925 wurde Bayer der jüngste Bauhaus-Meister. Bayer beginnt eine Affäre mit Ise Gropius, Gattin des Bauhaus-Gründers, er und seine Frau trennen sich.

Bayer verlässt 1928 das Bauhaus und arbeitet von da an als freier Grafiker — in den 1930er-Jahren „ungeniert“, wie die Kuratorin sagt, für die Nazis. Er gestaltet u.a. Film- und Propagandaplakate, bis Arbeiten von ihm 1937 als entartete Kunst eingestuft werden. Bayer emigriert in die USA. In New York arbeitet er als Chefdesigner für des Museum of Modern Art und als Werbedesigner für große Firmen und die amerikanische Regierung, gestaltet Kriegspropaganda, für die er schon damals Ideen wie Ressourcenschonung in seinen Werken transportiert. Schon in Deutschland hat er auch geniale Cover für Modemagazine wie die Vogue gestaltet, für die die Macher von heute ihre Vorgänger wohl beneiden würden. Es ist seine zweite Frau Joella, selbst aus einer Künstlerfamilie stammend und in der Szene groß geworden, die ihm die Kontakte legt und die den letzten Blick auf Arbeiten wirft, bevor sie für den Verkauf freigegeben werden.

Wie aus Aspen ein mondäner Skiort wurde

Aus der in den 1930ern verlassenen Stadt Aspen macht Bayer das, was sie heute ist: einen mondänen Skiort. Bayers Marmorgarten, den er dort geschaffen hat, ist im zweiten Teil der Ausstellung nachgebaut und lädt dazu ein, selbst kreativ zu werden. Die einzelnen Objekte lassen sich verschieben.

Im letzten Raum sind u. a. Fotografien zu sehen, wie sie Bayer als Reisefotograf in Schwarz-Weiß auf der ganzen Welt, auch in seiner alten Heimat gemacht hat, in denen er ungewöhnliche Perspektiven einnimmt oder besondere Ausschnitte wählt.

Die Ausstellung ist bis 8. Jänner 2023 zu sehen und wird von einem Symposium ebenso begleitet wie einem Angebot an Führungen. www.lentos.at

Von Melanie Wagenhofer

Das könnte Sie auch interessieren