„Oppenheimer“: Eine Antwort, die wir nie wollten

Nolans „Oppenheimer“: 180 sehenswerte Minuten trotz Schwächen

Der Moment, der ohne Zweifel die Welt verändert hat: der erste Atombombentest.
Der Moment, der ohne Zweifel die Welt verändert hat: der erste Atombombentest. © Universal Pictures

Es ist am Kinobesucher, zu destillieren, die fesselnden Zutaten in Christopher Nolans („Tenet“) neuem Werk „Oppenheimer“ aus den 180 Minuten Laufzeit zu pressen und das Konzentrat zu genießen. Ausgesprochene Nolan-Fans, die sich nicht satthören können an Dialogen, die die Bandbreite von wissenschaftlicher Abhandlung bis Poesiealbum-Spruch abdecken, und an nahezu permanenter Beschallung mit pathetischer Filmmusik, können der sportlichen Dauer viel abgewinnen, dem Rest könnte es trotz inhaltlicher Dichte schlicht zu lang werden.

„Oppenheimer“, der Name Programm: Dreh- und Angelpunkt des Film ist J. Robert Oppenheimer, der als Vater der Atombombe ins kollektive Gedächtnis einging. Seine Werdung zur Ikone, aber auch der Versuch des Verstoßens vom Olymp und die Selbstzweifel eines an Wissen mächtigen Mannes sind Nährstoff des Nolan-Werkes.

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Wie gewohnt, verschachtelt der Regisseur seine Erzählung, widersetzt sich der Chronologie, die bei einem Biopic jedoch für die Zuschauer mit ein bisschen Recherche recht einfach zu rekonstruieren ist, aber auch ohne Vorwissen lässt sich der Handlung in den meisten Strängen gut folgen. Die Herausforderung ist nicht intellektueller Natur, eher eine Sache der Konzentration, die zugegebenermaßen bei drei Stunden mitunter schwer fällt.

Auch, weil die ersten 90 Minuten (in gefühlt lange vergangenen Zeiten war dies die durchschnittliche Zeit, die Filmemacher brauchten, um eine Geschichte zu erzählen) einem nicht enden wollenden und nur teilweise erfolgreichen Näherkommen des Charakters Oppenheimer gewidmet sind. Nolan verliert sich in Szenen, die in der Handlung nicht weiterführen, schwülstig trägt er auf, wenn Womanizer Oppenheimer auf Frauen trifft (etwa Emily Blunt als Kitty Oppenheimer, Florence Pugh als Jean Tatlock).

Waffen, um den Frieden zu gewährleisten

Das Manhattan-Projekt, mit Oppenheimer als Leiter 1942 aus der Taufe gehoben, nutzte die eben entdeckte Kernspaltung, um eine Atombombe zu entwickeln, um damit den Nazis zuvorzukommen. Waffen, um den Frieden zu gewährleisten. Eine Erzählung, die wir auch im Jahr 2023 allzu gut kennen.

Neben der von Cillian Murphy („Peaky Blinders“) charismatisch in Szene gesetzten Figur des schwer fassbaren Oppenheimer, trägt diese unausgesprochene Brücke ins Heute den Film. Historische Fakten gepaart mit beeindruckenden (und analog gedrehten) Explosions-Bildern der ersten Bombe sind guter Stoff fürs Kino. Aber der Schauer, der über den Rücken läuft, wenn verantwortliche Politiker über das Töten Hunderttausender Menschen bei einer Tasse Kaffee diskutieren, machen „Oppenheimer“ — trotz Schwächen — sehenswert. Durchhaltevermögen, Konzentration und die Fähigkeit, einen für sich packenden Handlungsstrang im Auge zu behalten, werden belohnt. Und auch die Frage der Fragen — Hat Oppenheimers Erfindung die Welt zerstört? — beantwortet Christopher Nolan. Hören wollten wir diese Antwort nie.

Von Mariella Moshammer

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