Eine Stundenblume lang Zeit nehmen

Momo (Mitte, Katharina Schraml) und die grauen Herren(Matthias Hacker und Simone Neumayr)
Momo (Mitte, Katharina Schraml) und die grauen Herren(Matthias Hacker und Simone Neumayr) © Theater des Kindes

Im fünften Anlauf konnte „Momo“ (ab sieben Jahren), das Kultmärchen vom Zeitnehmen und Zuhören von Michael Ende, am Samstag im Theater des Kindes Premiere feiern. Henry Mason führt in seiner Bearbeitung den Geist des philosophisch angehauchten Stückes fort. Schön langsam und ruhig geht Regisseurin Julia Ribbeck es an. Umso inniger, spannender entstehen die Freundschaften — bis die grauen Herren von der Zeitsparkasse auftauchen. In ihren Zigarren verrauchen sie gestohlene Zeit ihrer Kunden. Bitterböse Männer, die mit der gruseligen Strafe „Entzug sämtlicher Zeit“ drohen, und neuerdings auch virtuelle Freunde anbieten. Auf einem Tablet zeigen sie, wie zeitsparend es funktioniert, Sachen zu kaufen, Freunde zu kaufen, den Freunden Sachen zu kaufen. Momo, Meisterin im Zuhören, durchschaut die Bösewichter, wird so zur Gefahr für sie. Die eben gewonnenen Freunde lassen sich zum Zeitsparen überreden. Einmal erfasst vom Zeitsparvirus, haben sie keine Zeit mehr füreinander, werden immer hektischer. Frau Sekunda Minutia Hora, „Hüterin der Zeit und der Stundenblumen“, kann die freudlose Welt noch bannen. Kassiopeia, die Schildkröte, führt Momo zu ihr.

Poetisches Licht- und Wortspiel

Als Momo strahlt Katharina Schraml anders als die Filmfigur, unaufgeregt weiß sie, instinktiv erkennt sie. Die schwer zu besprechende Frage „Wo kommt die Zeit her?“ löst sich in einem poetischen Licht- und Wortspiel aus Stundenblumen, Wasser und Schönheit zu einer Art Erleuchtung. Momo erhält dabei eine Stundenblume zur Rettung ihrer Welt. Nun herrscht auch für sie Zeitdruck, doch je langsamer sie agiert, desto schneller verpuffen die Bösewichter.

Von der quirligen Friseurin Bella zu Herrscherin Hora wechselt Simone Neumayr, Matthias Hacker erheitert wie sie in der Entwicklung vom gelassenen Handwerker zum hektisch effizienten Dienstleister, als poetisch-liebevoller roter Faden wärmt die Freundschaft zu Beppo, dem Straßenkehrer (David Baldessari). Wie von Zauberhand gewandelt erscheinen die drei immer wieder als graue Herren auf der Bühne (Isabella Reder,) einem variablen Räderwerk, das auch filmverwöhnten Kindern viel zum Schauen gibt. Eine gute Stunde anregendes, berührendes Vergnügen — Zeit dafür nehmen! Eva Hammer

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