„Evil does not exist“: Wo der Mensch ist, scheint das Böse trotzdem ganz nahe

Kino: Ryūsuke Hamaguchi („Drive my Car“) führt mitten hinein in den Kampf gegen das Konzept „mehr ist mehr“

Takumi (Hitoshi Omika) und seine Tochter Hana (Ryo Nishikawa)
Takumi (Hitoshi Omika) und seine Tochter Hana (Ryo Nishikawa) © Pandora Film/NEOPA, Fictive

Die Tiere in Ryūsuke Hamaguchis („Drive my Car“) „Evil does not exist“ hinterlassen Spuren in der Welt, die einst nur ihnen gehörte. Federn, Hufabdrücke, Geräusche — der Wald ist voll davon. Doch auch das Skelett eines Rehkitzes liegt auf dem von Menschen ausgetreten Weg, gestorben ist das Tier durch eine Gewehrkugel.

Es ist ein Leben im Einklang mit der Natur, das Takumi (Hitoshi Omika) mit seiner Tochter Hana (Ryo Nishikawa) in einem kleinen japanischen Dorf bestreitet. Gemeinsam gehen sie zwischen den Bäumen, deren Namen sie kennen, holen Wasser aus dem glasklaren Bach, wissen, wo der Wildwechsel stattfindet, welche Orte für die Menschen zu meiden sind.

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Dann der Einbruch des Realen in Form der kapitalistischen Welt: Aus der Großstadt kommen Mayuzumi (Ayaka Shibutani) und Takahashi (Ryuji Kosaka) und wollen vieles verändern. Ein Glamping-Platz soll errichtet werden, ein Ort, an dem Städter sich von der Hektik ihres Alltags erholen können, Luxus und Natur als Konsumgüter.

Mayuzumi und Takahashi sollen die Bewohner von den Vorteilen einer solchen Anlage überzeugen, und das, obwohl eine Wasserkläranlage den lebensspendenden Bach verseuchen würde. Den Menschen Lärm und unkontrollierte Lagerfeuer drohen könnte. Kein leichter Job für die zwei „Werber“, auch, weil die Bevölkerung gut informiert und widerständig ist.

Dass die Dinge nicht immer den vermuteten Weg gehen, zeigt der Filmemacher in „Evil does noch exist“ permanent. So überzeugen nicht etwa die Städter die Bewohner des Dorfes von den Vorteilen des „mehr ist mehr“, sondern die beiden werden selbst Anhänger des einfachen Lebens in und mit der Natur.

Doch auch das ist nicht das Ende der Geschichte: Als die achtjährige Hana verschwindet, wendet sich das Blatt noch einmal und der Film schlägt eine völlig neue Richtung ein, die bis zum Abspann unerklärlich bleibt und viel Raum für Interpretation und Identifikation lässt.

„Evil does not exist“ ist ein ruhiges und langsam erzähltes Werk. Kontemplativ führt es die Zuseher durch die schon lange vom Menschen beeinflusste Natur, die jedoch — so betonen es die Bewohner — im Gleichgewicht ist. Noch. Denn wo der Mensch ist, scheint das Böse trotzdem ganz nahe.

Von Mariella Moshammer

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