Faschisten-Barbie & Macho-Ken

Mädchentraum trifft reale Frauen in Gerwigs fantastischem „Barbie“-Film

Margit Robbie, die menschgewordene Barbie
Margit Robbie, die menschgewordene Barbie © Warner Bros.

Blair Willows ist ein gewöhnliches Mädchen, das an der Prinzessinnen-Akademie in so schönen Dingen wie Tanz, Musik und Ausrichten von Tee-Partys unterrichtet wird.

In „Die magischen Perlen“ träumt Meerjungfrau Lumina davon, eine richtige Prinzessin zu sein. Beide Rollen übernimmt Barbie, ja, die Puppe, die auch im Fernsehen animiert auftritt. Es gab Handlungsbedarf.

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Regisseurin Greta Gerwig, geboren 1983, hat sich aufgemacht, DIE Puppe schlechthin ins Jahr 2023 zu holen. Eine Mammutaufgabe, zeichnen die Plastikfrau doch primär ihre irrealen Körpermaße aus. Wie geht der absurde Mädchentraum in Rosa mit dem Frauenbild unserer Zeit zusammen? Indem man es richtig kleschen lässt. In „Barbie“ fährt Gerwig alles auf, was die pinke Puppenweltassoziation hergibt. Barbie — perfekter geht es nicht: Margot Robbie — lebt in ihrem Barbie-Haus in der Barbie-Welt, alles ist aus Plastik, wenn die Puppen die Tassen zum Mund führen, ist nichts drin, aber es wird so getan, als ob.

Ken ohne Penis, aber mit breiter Brust

Wer Barbie sagt, sagt auch irgendwie Ken — ah, es geht doch noch perfekter: Ryan Gosling. Ken hat in der Barbie-Welt eine bessere Statistenrolle. Alle Posten — von der Präsidentin bis zu Pilotin — sind von Barbies besetzt, ihnen gehören Häuser und Cabrios. Es gibt viele der weiblichen Puppen ohne Genitalien, sie sind so vielfältig, wie man es sich nur wünschen kann und trotzdem perfekt. Ebenso die eher sinnlosen Kens. Robbie ist die Stereotyp-Barbie, doch just sie ist es, deren Fersen plötzlich den Boden berühr- en, die Cellulite bekommt und die Todesgedanken plagen. Helfen kann nur die reale Welt, Ken kommt mit.

Einbruch des Realen ist ein Hilfsausdruck dafür, was die beiden erleben: Barbie wird sich ihres Status‘ als Objekt bewusst, erfährt, wie Gefühle und Tränen gehen, wird nicht als Retterin der Frauen gefeiert, sondern als Faschistin beschimpft. Ken — der fühlt sich wie im Himmel, zwar ohne Penis, aber mit breiter Brust. Die Männer haben in der Realo-Welt das Sagen, die Idee des Patriarchats begeistert den Barbie-Mann so sehr, dass er in Barbiehausen die Ken-Herrschaft ausruft. Grandios, wie die gehirngewaschenen Barbies sich von da an die Welt von den Kens erklären lassen müssen. Die erwartbare Erkenntnis: Lebt die Frau nicht als Ob-, sondern als Subjekt, muss sich auch der Mann Gedanken über seine Identität machen.

„Unsere“ Barbie gerät inzwischen in ihr Mutterhaus, den Firmensitz von Mattel, dem real zweitgrößten Spielzeughersteller der Welt. Der schmeißt später die Depri- Barbie auf den Markt, die Kaubonbons futternd „Stolz und Vorurteil“ schaut, eine der besten Szenen. So nimmt die Geschichte ihren Lauf und endet dann doch mit ein paar Musical-Szenen zu viel und reichlich rührseligem Schmalz und Moral. Es ist eben Hollywood und es ist auch Mattel, der US-Spielzeugproduzent hat mitproduziert. Das heißt aber nicht, dass er sich nicht ordentlich sezieren lässt in „Barbie“. Erstens spielt Will Ferrell den CEO und das irre komisch. Und noch marionettenartiger als in der Barbie-Welt bewegen sich die Männer in der Konzernzentrale, die Köpfe noch hohler.

Der Film ist voll komischer Momente, temporeich, überbordend und quietschig, dass die vielen „Botschaften“ das Publikum nur so fluten. Hoffentlich bleibt viel von der Haltung hängen, die „Barbie“ transportiert. Gegensätze — und Barbie ist ein Gegensatz in sich — lassen sich auch schrill diskutieren.

Von Mariella Moshammer

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