Schon vor ihrer Ankunft in Berlin macht Kristen Stewart Schlagzeilen. Für ihren Film (Love Lies Bleeding“ — ein hitziger Thriller — geht die 33-Jährige mit einer intimen Geschichte für das Magazin „Rolling Stone“ viral. Auf dem Cover ist sie halb nackt vor Trainingsgewichten zu sehen, im Interview spricht sie über Drogen, ihre Verlobte, Kinder und ihre „Twilight“-Erfahrungen. Am Sonntagabend stellte Stewart den Film bei der 74. Berlinale vor.
„Es war keine große Sache“, sagte Stewart am Sonntag auf das große Echo der Geschichte im „Rolling Stone“ angesprochen. Es sei verrückt, dass es nicht mehr Bilder dieser Art gebe. Im Magazin ist Stewart in selbstbewussten Posen zu sehen, sie trägt ihren ikonischen Vokuhila und wenige, sehr lässige Kleidung — etwa eine Lederweste oder ein T-Shirt mit der Aufschrift „Eat Me“.
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Im Film „Love Lies Bleeding“ verkörpert sie die queere Managerin eines Fitnessstudios, deren stilles Leben durch eine Bodybuilderin aufgewirbelt wird, in die sie sich verliebt. „Wir haben einfach mit der Idee der Stärke gespielt“, sagte Stewart. Für den Film gelte das gleiche wie für den „Rolling Stone“-Artikel, sagte Stewart: „Die Person, der wir normalerweise nicht zuhören, die Person, die wir normalerweise nicht anschauen“, stehe im Mittelpunkt und werde angesehen.
Die ersten Promis hatten schon ihren großen Auftritt
Stewart ist einer der großen Stars der diesjährigen Berlinale, die am Donnerstag mit dem Drama „Small Things Like These“ eröffnet wurde. Die ersten Promis hatten schon ihren großen Auftritt: Gael García Bernal („Babel“), Rooney Mara („Verblendung“) und „Oppenheimer“-Star Cillian Murphy. Sie sind auch in Wettbewerbsbeiträgen vertreten. Einige Tage nach dem Berlinale-Start sind bereits erste Favoriten im Gespräch.
Dazu gehört Andreas Dresens neuer Film „In Liebe, Eure Hilde“ über den Widerstand gegen das NS-Regime. Liv Lisa Fries („Babylon Berlin“) verkörpert eindrucksvoll die junge Widerstandskämpferin Hilde Coppi. Gut möglich, dass sie für ihre Leistung ausgezeichnet wird.
Nach der Premiere des rund zweistündigen Dramas am Samstag kam neben dem Filmteam auch der Sohn von Hilde Coppi, Hans Coppi Jr. (81), auf die Bühne, den das Publikum mit Standing Ovations empfing. Er wurde im Gefängnis geboren – kurz bevor seine Mutter 1943 von den Nazis hingerichtet wurde.
Bild einer Gesellschaft, die Frauen unterdrückt
Doch Fries hat große Konkurrenz. Hoch im Kurs ist auch Lily Farhadpour, die in der iranischen Tragikomödie „Keyke mahboobe man“ („My Favourite Cake“) die Hauptrolle spielt: Eine 70-jährige Witwe, die in Teheran ihr Liebesleben wiederentdecken möchte. Ihre Geschichte beeindruckt und berührt zugleich als Bild einer Gesellschaft, in der Frauen permanent unterdrückt werden. Das iranische Regie-Duo Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha war von iranischen Behörden an der Ausreise nach Berlin gehindert worden.
Nach der Premiere wurde Farhadpour im Grand Hyatt Hotel – dem Ort aller Film-Pressekonferenzen – auf einem Gang von einer Traube begeisterter Zuschauer umkreist. Ein Mann stürmte auf sie zu, um ihr einen Handkuss zu geben und sie für ihre „großartige Leistung“ zu beglückwünschen.
Für viel Gesprächsstoff sorgte auch die skurrile US-amerikanische Satire „A Different Man“ von Aaron Schimberg. Im Zentrum steht der Schauspieler Edward (Sebastian Stan). Sein Gesicht ist nach Krankheiten vernarbt und verbeult. Durch ein medizinisches Experiment verwandelt er sich in einen attraktiven Mann. Was sein Leben allerdings nicht einfacher, sondern komplizierter macht: Sein Traumgesicht beschert ihm einen Albtraum. Der Film baut vor allem auf bissig-überspitzten Humor. Mit spielt auch der britische Schauspieler Adam Pearson, der eine seltene Gesichtsdeformation hat: Er hat Neurofibromatose, die durch Mutationen bestimmter Gene verursacht wird. Sein Äußeres ist auch Thema im Film.
Obwohl es die Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ nicht mehr gibt, sind deutsche Filmschaffende mit großen Produktionen auch außerhalb des Wettbewerbs stark vertreten. Zum Beispiel Julia von Heinz mit „Treasure“ – ihre erste internationale Produktion, für die sie Lena Dunham und Stephen Fry gewinnen konnte. Dunham spielt eine Musikjournalistin, die mit ihrem Vater, einem Holocaust-Überlebenden, eine Rundreise durch dessen Heimatland Polen macht. Der Film lief in einer Special Gala – genauso wie der Horrorfilm „Cuckoo“ von Tilman Singer mit „Euphoria“-Star Hunter Schafer in der Hauptrolle. Im Panorama zeigte „Systemsprenger“-Regisseurin Nora Fingscheidt ihr mit Saoirse Ronan („Lady Bird“) starbesetztes Drama „The Outrun“.
Eine weitere mit Spannung erwartete Premiere ging am Sonntagabend über die Bühne: „Sterben“ von Matthias Glasner, der zweite Wettbewerbsfilm eines deutschen Regisseurs. Die dreistündige Tragödie um eine zerrüttete Familie glänzt mit Schauspielprominenz: Corinna Harfouch, Lars Eidinger, Lilith Stangenberg und Ronald Zehrfeld.
Österreich ist heuer sehr stark auf dem Festival vertreten. Bereits Premiere feierte etwa Ruth Beckermanns „Favoriten“, das Lassnig-Biopic „Mit einem Tiger schlafen“ von Anja Salomonowitz und „Andrea lässt sich scheiden“ von und mit Josef Hader. Am Dienstagabend feiert „Des Teufels Bad“ von Veronika Franz und Severin Fiala Premiere, der Film ist auch im Wettbewerb vertreten.
„Wir müssen aufpassen, dass es kein Festival der Politik wird“
Überlagert wurden die Filmfestspiele Berlin bei der Eröffnung von politischen Debatten, vor allem wegen der Ein- und Ausladung von AfD-Politikern. Am roten Teppich der Medienboard-Party protestierten am Samstagabend Filmschaffende unter anderem gegen Rechtsextremismus. „Man sagt immer: Die Berlinale ist ein politisches Festival“, sagte Regisseur Dresen am Wochenende. „Wir müssen langsam aufpassen, dass es nicht ein Festival der Politik wird und es auch noch ein bisschen um Filme geht.“ Schon mit einigen starken Beiträgen und glamourösen Star-Auftritten ist dies der Berlinale gelungen.