Felix Mitterer: „Es fällt mir sehr schwer zu gehen“

Der Tiroler Dramatiker über die Fortsetzung seiner „Piefke-Saga“ und den Umzug in die Steiermark

Felix Mitterer am Montag im Stifterhaus in Linz
Felix Mitterer am Montag im Stifterhaus in Linz © Stifterhaus

In den frühen 1990er-Jahren wurde Felix Mitterer einem breiten Publikum bekannt. „Die Piefke-Saga“ flimmerte über die Bildschirme, entlarvte die Anbiederung der Tiroler an die Touristen und die „Piefke“, die sich beim Frühstücksbuffet die Stullen für die Brotzeit einpackten.

Am Montag stattete der 74-jährige Autor dem Stifterhaus in Linz einen Besuch ab. Das VOLKSBLATT traf den Tiroler zum Gespräch.

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VOLKSBLATT: Thema im Stifterhaus ist „Die Piefke-Saga“. Einen fünften Teil haben Sie fertig geschrieben, aber aus Ihrem Wunschdrehtermin 2021 wurde nichts. Warum?

FELIX MITTERER: Der ORF sagt, sie finden keine deutsche Anstalt, und dann können sie es nicht machen. Vielleicht findet es ja noch statt, ich weiß es nicht. Ich habe Ischgl genommen, weil es ein Weltthema war. Aber vielleicht ist es zu wenig lustig geworden. Obwohl dieselben Figuren vorkommen, was spannend ist. Man fragt sich: Was ist aus denen geworden? Wie sehen die Schauspieler aus?

Inhaltlich geht’s um Ischgl als Corona-Hotspot …

Ich habe exakt recherchiert. Es gibt einen Untersuchungsbericht, den habe ich abgewartet, und dann habe ich erst geschrieben. Ich bin natürlich auch hingefahren, aber die haben keine Freude gehabt mit mir. Ich war schon ‚mal dort, weil ich eine „Russen-Saga“ schreiben wollte. Das war ein tolles Thema. In Osttirol gab es ein Dorf, wo die Einheimischen Russisch gelernt haben, weil eine Russin ein Hotel gebaut und gesagt hat, sie würde noch viel mehr bauen — was letztlich nicht passiert ist. Der Herr Sattmann ist in meiner Idee an die Rezeption gekommen, aber die Russen sind bevorzugt behandelt worden, usw.

Was wurde aus der Idee?

Ich habe es dann nicht geschrieben, weil die Russen die Krim annektiert haben. Da kamen keine russischen Gäste mehr. Die Geschichte hätte man in Ischgl noch ertragen, aber die Geschichte mit Corona — da hätten sie keine Freude mit mir gehabt.

Die Familie Sattmann ist in Teil 5 also wieder dabei. Die anderen Figuren aus der „Piefke-Saga“ auch?

Ja, alle, etwa der Gregor Bloéb, der ja jetzt künstlerischer Leiter der Tiroler Volksschauspiele in Telfs ist. Dietrich Mattausch, der den Karl-Friedrich Sattmann gespielt hat, ist jetzt 80. Ich habe ihm eine tolle Rolle geschrieben. Auch seiner Frau, der Elsa. Kurt Weinzierl, der hat ja den Bürgermeister gespielt, ist aber bereits gestorben. Anfang der 2000er-Jahre habe ich im Bezug auf „Die Russen-Saga“ zu ihm gesagt: „Du kannst jetzt nicht sterben, ich brauche dich! Dringend!“ Da hat er gesagt: „Den spiele ich dir auch als Toter, völlig wurscht!“ Jetzt habe ich ihn in „Die Piefke-Saga“ wieder eingebaut als Geist, der im Dachboden umgeht.

Tobias Moretti natürlich als Joe …

Der hat sich gewünscht, den Tourismus-Visionär des Ortes zu spielen.

Als Regisseur ist Adrian Goiginger angedacht, oder?

Ja, das habe ich ihm schon gesagt, weil er ein wunderbarer Regisseur ist. „Die beste aller Welten“ war sowas von grandios. Und dann hat er „Märzengrund“ von mir verfilmt. Er ist ein hochbegabter Mensch. Wenn er das macht, jederzeit und sofort.

Hat Ihnen die Verfilmung von „Märzengrund“ gefallen?

Absolut. Einiges hätte ich halt anders gemacht, aber Johannes Krisch, der den älteren Elias gespielt hat, ist ein wirklich grandioser Schauspieler.

Fällt es Ihnen grundsätzlich schwer, Ihre Stoffe in die Hände von Regisseuren zu geben?

Gar nicht. Ich habe zehn, elf Tiroler „Tatort“-Folgen geschrieben, war aber damals in Irland. Und obwohl ich ganz in der Nähe war, auch bei der „Piefke-Saga“, war ich ein einziges Mal in Innsbruck bei den Dreharbeiten. Da hat mich Dietrich Mattausch so reingelegt, weil er in Tiroler Schützentracht und mit Vollbart gekommen ist und zu mir gesagt hat: „Griaß di, wie geht’s da denn?“. Ich habe ihn nicht erkannt! Das war unglaublich. In Wien bin ich allerdings froh, Regisseurin Stephanie Mohr zu haben, die alles von mir im Theater in der Josefstadt macht, weil die einfach so gut ist. Ein Stück ist ja nur Papier, lebt erst mit den Schauspielerinnen und Schauspielern auf und mit der Regie.

Sie selbst werden Tirol Ende Oktober verlassen. Ist das noch immer Stand der Dinge?

Ja, das ist Stand der Dinge. Ich gehe einfach. Die wollen von mir Tourismusabgabe, und das kriegen sie vom Autor der „Piefke-Saga“ nicht! So ist es halt.

Könnte noch ‚was passieren, das Sie umstimmen würde?

Nein! Weil sie bestehen ja weiter darauf. Ich habe mich am selben Tag in Schwaz abgemeldet und in Wien angemeldet, wo meine Frau eine kleine Wohnung hat. Ich werde schon Tourismus-Abgabe zahlen müssen für ein Jahr oder was weiß ich.

Ich höre schon heraus, dass das keine leichte Entscheidung war.

Es fällt mir sehr schwer zu gehen. Weil ich eigentlich am Ende meines Lebens heimgehen wollte, wie der Elefant am Ende heimgeht. Aber es sollte nicht sein. Tirol ist ja ganz furchtbar, hat nur den Tourismus und die Autobahn, die ständig überfüllt ist. Aber trotzdem … es ändert ja nichts daran, es ist mein Heimatland. Und das tut mir alles weh. Es gibt keinen Autor, der so viel über seine Heimat geschrieben hat wie ich. Ich habe alles geschrieben, von Oswald von Wolkenstein, Michael Gaismair, Andreas Hofer, Nazizeit, ich habe alles beschrieben, von vorne bis hinten.

Das heißt, Sie fühlen sich da auch nicht genug wertgeschätzt vom Land Tirol?

Genau so ist es. Die Kultur bedeutet im Grunde überhaupt nichts. Aber so ist es ja nicht, die Leute schauen sich die Sachen ja an! Die Bevölkerung ist nicht so wie die Anführer. Leider.

Und wohin zieht es Sie jetzt? Nach Oberösterreich?

Wir haben ja leider nichts gefunden in Oberösterreich. Jetzt wird es die Steiermark.

Wir leben alle in Zeiten, die nicht leicht sind. Hilft Ihnen das Schreiben?

Mir hat das Schreiben immer geholfen. Ohne Schreiben würde ich wahrscheinlich nicht mehr leben. Corona betreffend ist für mich auch kein großer Unterschied zu früher, weil ich sowieso am Schreibtisch gesessen bin und geschrieben habe. Aber die meiste Zeit habe ich versucht, mich vor dem Schreiben zu drücken. (lacht)

Sie sind jemand, der relativ spät abgibt, hört man …

Inzwischen habe ich viele Kollegen kennengelernt, die ähnlich sind. Der H. C. Artmann wurde im Gartenhäuschen vom Residenz Verlag eingesperrt, damit er endlich wieder ‚was schreibt.

Es ist typisch. Man schiebt es solang vor sich her, wie es nur irgendwie geht. Andererseits könnte man ohne Schreiben nicht leben. Es ist ein Zwiespalt. Und es ist nicht so, dass man es auf einmal kann. Also, ich weiß immer noch nicht, wie es geht.

Sie haben sich einfach hingesetzt und geschrieben?

Gott sei Lob und Dank. Es ist ja ein Geschenk, das man mitkriegt. Ich habe mir als Kind gewünscht, schreiben zu können. Dann habe ich das Glück, dass es nicht so viele Dramatiker gibt.

Sie haben aber auch Ihren ersten Roman geschrieben.

Weil es mich schon betroffen hat, dass die Theater während Corona zu waren. In der Zeit habe ich dann endlich eine Prosa geschrieben.

Wird das eine Fortsetzung finden?

In den 60 Sekunden, in denen in Galtür die Lawine heruntergekommen ist und den Ort vernichtet hat, wollte ich die Geschichte des ganzen Tals erzählen. Eine große Aufgabe.

Daran arbeiten Sie bereits?

Nein. Ich glaube, ich mache es nicht. Das ist mir zu viel Arbeit.

Wenn Sie einen anderen Beruf hätten, wären Sie in Pension. Denken Sie ans Aufhören?

Nein, das geht leider nicht. Aber weniger machen schon.

Weniger, aber nicht nichts — woran arbeiten Sie gerade?

Ich bin wieder in Telfs dabei, weil ich mit Gregor Bloéb befreundet bin. Mehr darf ich noch nicht verraten. Und sonst bin ich beim Übersiedeln.

Mit FELIX MITTERER sprach Mariella Moshammer

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