Filmfestival Locarno lockt Tausende Filmfans an den Lago Maggiore

Österreichische Beiträge von Kurdwin Ayub und Juri Rechinsky - Jessica Hausner ist Jury-Präsidentin

Die österreichische Regisseurin Jessica Hausner ist die Jurypräsidentin der 77. Ausgabe des Locarno Film Festivals. © APA/AFP/Hache

Das von 7. bis 17. August stattfindende 77. Filmfestival von Locarno präsentiert sich heuer mit 225 Filmen (darunter 104 Weltpremieren) mit seiner traditionellen Ausrichtung für ein künstlerisch anspruchsvolles Kino zur Entdeckung neuer Talente. Die neue Festivalpräsidentin Maja Hoffmann in der Nachfolge von Marco Solari plädiert in diesem Sinne für ein offenes Kino „des transformativen Denkens“. Der Jury des internationalen Wettbewerbs mit den 17 sich um den Goldenen Leoparden bewerbenden Filmen steht die Österreicherin Jessica Hausner („Lovely Rita“, 2001; „Lourdes“, 2009) vor. Der künstlerische Leiter des Festivals, Giona A. Nazzaro, hebt sie als Regisseurin hervor, welche „mit Tiefgründigkeit die verstecktesten Aspekte unseres Lebens reflektiert hat.“

Bereits während des Festivals werden Preise an prominente Gäste überreicht: Ehrenpreise für das Lebenswerk ergehen an die französische Schauspielerin Irène Jacob („Die zwei Leben der Veronika“, 1991, von Krzysztof Kieślowski) und an den Star-Schauspieler Shah Rukh Khan, der 1993 mit dem romantischen Thriller „Baazigar“ (1993) zunächst als Antiheld für seine Karriere im indischen Film in unterschiedlichsten Genres debütierte. Auch die neuseeländische Regisseurin Jane Campion wird für ihre Lebenskarriere geehrt. Zu diesem Anlass wird ihr Film „Das Piano“ (1993) auf der Piazza gezeigt.

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Der „Lifetime Achievement Award“ ergeht an den mexikanischen Regisseur Alfonso Cuarón, dessen bereits mit fünf Oscar versehenes Gesamtwerk alle Ebenen zwischen Low-budget-Filmen und internationaler Starbesetzung, so mit George Cloony, Michael Caine oder Sandra Bullock, „bewegliche und freie Bilder auslotet“ (Giona A. Nazzaro).

Der bei der Festivaleröffnung am 7. August gezeigte Stummfilm „The Crowd“ von King Vidor aus dem Jahre 1928 wird in der Tonbegleitung musikalisch vom Orchestra della Svizzera Italiana nach der Komposition des im Vorjahr verstorbenen britischen Komponisten Carl Davis gestaltet.

Als Zentrum des Festivals gilt die Piazza als kultureller Treffpunkt mit einem Fassungsvermögen von 8000 Zusehenden. Bemerkenswert ist in diesem Jahr, dass hier fast ausschließlich im Jahre 2024 erschienene Filme gezeigt werden. Mit älterem Datum sticht etwa Jean-Luc Godards „Une femme est une femme“ (1961) hervor.

„Der Mond“ und „Beautiful Beloved“

Mit Spannung erwartet wird im internationalen Wettbewerb der österreichische Beitrag von Kurdwin Ayub mit dem Titel „Mond“ aus der Ulrich Seidl-Filmproduktion erwartet. Mit Choreografin Florentina Holzinger in der Hauptrolle erzählt der Film die Geschichte einer Kampfsportlerin, die als Trainerin mit der beunruhigenden Situation von Frauen in Jordanien konfrontiert wird. Ihr angeblicher Traumjob geht mit Überwachung und Beengung des Lebensraumes einher. Der weitere, vom Filmfond Wien geförderte, österreichische Beitrag „Dear Beautiful Beloved“ von Juri Rechinsky über den Einsatz der Menschen zur Aufrechterhaltung der Versorgung in der Ukraine läuft in der Sektion „Semaine de la Critique“.

Was unsere Erinnerungen weckt

Mit Spannung erwartet wird „Sulla Terra Leggeri“, der erste Langspielfilm der Italienerin Sara Fgaier, über die Amnesie eines Lehrers, der mithilfe seines ehemaligen Tagebuches wieder seine frühe Liebe entdeckt. Der Film folgt der Frage, was unsere Erinnerungen weckt. „Luce“ von Luca Bellino und Silvia Luzi lotet die Verbindungen von Persönlichem und sozialer Verankerung aus. Auch der Schweizer Beitrag „Der Spatz im Kamin“ von Ramon Zürcher sucht über das Bild eines intimen Familiendramas Auswege, um Raum für Neues zu schaffen.

„Leoparden von morgen“

Dreigeteilt ist in diesem Jahr der Bewerb „Leoparden von morgen“, eine für innovative Erstlingswerke talentierter Filmemacher/innen  geschaffene Sektion mit Kurz- und Mittellangfilmen: Der „Concorso Internazionale“ widmet sich den jungen Regisseuren aus aller Welt, der „Concorso Nazionale“ den Schweizer Produktionen und der „Concorso Corti d’autore“ bereits bekannten Filmschaffenden.

Die Sektion „Open Doors“ setzt es sich seit 22 Jahren zum Ziel, die Bedeutung des Kinos von ungenügend repräsentierten Ländern zu würdigen. Traditionell widmet sich hier der Schwerpunkt Lateinamerika und der Karibik.

Eine Besonderheit stellt in diesem Jahr die Columbia Pictures gewidmete Retrospektive  dar. Unter dem Titel „The Lady with the Torch“ („Die Dame mit der Fackel“) passieren mit 44 Filmen 100 Jahre Kinogeschichte Revue, u.a. mit Frank Capra und John Ford.

Von Michael Aichmayr

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