Geiger Khatchatryan begeisterte im Brucknerhaus mit hinreißender Virtuosität

Geiger Sergey Khatchatryan und Dirigent Daniele Rustioni © Reinhard Winkler

Das in Belfast beheimatete „Ulster Orchestra“ gestaltete am Dienstag unter seinem Chefdirigenten Daniele Rustioni mit schönem Erfolg das 8. Konzert im „Großen Abo“ des Brucknerhauses. Im Zentrum des Abends stand Dmitri Schostakowitschs 1. Violinkonzert op.77, das vom Solisten Sergey Khatchatryan in jeder Phase sensationell interpretiert wurde. Denn einerseits hielt er die langen Melodiebögen des ersten (Nocturne) und dritten Satzes (Passacaglia, Andante) in intensiv emotionaler Spannung, andererseits verlieh er dem temperamentvoll-tänzerischen Charakter des Scherzos und der Burleske im zweiten und dem Final-Satz mitreißend virtuosen Schwung.

Das Publikum tobte förmlich vor Begeisterung, wurde aber durch die Zugabe wieder zu still reflektierender Besinnung gebracht: Der gebürtige Armenier erinnerte mit einem tief berührend dahinfließenden „Klagelied“ der Violine offenbar an die Schicksalsschläge, die sein Volk bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder getroffen haben.

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Generell stand das Konzert unter dem Motto „Passacaglia“, einer Art „Schreit-Tanz“, der im 16. Jahrhundert von Spanien nach Italien gewandert war. Neuformulierungen dieses Tanzes sind, wie Figura zeigt, in der sinfonischen Musik des 19. und 20. Jahrhunderts anzutreffen – auf Basis eines ostinaten Bass-Motivs, kunstvoll variiert. Gleich zu Beginn des Konzerts demonstrierte dies Anton von Weberns „Passacaglia“ op.1 (!) hervorragend, zwischen Spätromantik und Moderne pendelnd.

Den Abend schloss sehr eindrucksvoll Johannes Brahms´4. und letzte Sinfonie op. 98 in e-Moll ab, ein absoluter Höhepunkt sinfonischer Literatur überhaupt. Vor allem die Streicher und Holzbläser des nordirischen Klangkörpers demonstrierten unter dem feinsinnigen Dirigat Rustionis viel Verständnis für Brahms; das Blech hingegen erwies sich bisweilen als zu dominant, wobei sich die Hornisten doch öfters auf einen für die Brahms´sche Chromatik so charakteristischen „runden“ Klang besannen.

Das in Form einer Passacaglia artifiziell gestrickte Finale rundete den positiven Gesamteindruck von Orchester und Dirigent ab, den das Publikum mit ergiebigem Applaus zum Ausdruck brachte.

Von Paul Stepanek

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