„Geliebte Köchin“: Wenn Mandelgebäck zum Mittelpunkt der Welt wird

Handlungsarmer Film von Tran Anh Hung übers Kochen mit Juliette Binoche und Benoit Magimel

Es dampft, es blubbert, es zischt, es brutzelt, es kocht, es blanchiert, es gleitet irgendwann aufs Teller und wird genüsslichst verspeist. So lässt sich ein Großteil der 135 Minuten des Films „Geliebte Köchin“ des Filmemachers Tran Anh Hung („Der Duft der grünen Papaya“) beschreiben. Wenn dem Zubereiten von Speisen soviel Zeit und Aufmerksam gewidmet ist, muss es ein französischer Film sein. So ist es auch, Frankreich schickte „Geliebte Köchin“ gar zur Oscar-Auswahl, nominiert wurde der Streifen jedoch nicht.

Bildgewaltiges Zelebrieren von Lebensmitteln und Liebe

Wer selbst gerne zu Pfanne und Kochlöffel greift, kann viel Gefallen an dem bildgewaltigen Film finden, in dem Juliette Binoche (59) als Köchin Eugénie am Herd von Benoit Magimel (49) steht, der ihren Vorgesetzten, den Star-Gourmet Dodin, gibt. Da sich bei so vielen Töpfen auch die richtigen Deckel finden, teilen Eugénie und Dodin nicht nur die Liebe zu Lebensmitteln, sondern auch die zueinander. Und somit ist die zweite Ebene des Films erzählt. Aber auch ein riesiges Manko von „Geliebte Köchin“wird hier sichtbar: Es gibt kaum Handlung!

Die Beziehung der beiden Hauptfiguren existiert bereits, wenn wir ihnen begegnen. Einzig das Heiraten steht noch aus, das die Köchin trotz inniger Zweisamkeit seit 20 Jahren verweigert. Als sie dann — im Herbst ihrer beider Leben, wie Dodin betont — doch einwilligt, schlägt das Schicksal erbarmungslos zu. Dodin trauert und muss sich schließlich eine Neue suchen, eine neue Köchin natürlich. Und lange ist keine gut genug …

Kulinarische Lust und sexuelle Leidenschaft

Wer sich mehr von diesem Film erwartet, als die zigmal erprobte und verfilmte Verbindung von kulinarischer Lust und sexueller Leidenschaft und die oben erwähnte stundenlange (!) Darstellung von höchster Kochkunst, der wird herb enttäuscht. Auch die zart und von den erfahrenen Hauptdarstellern hinreißend gespielte enge Verbindung der beiden Menschen rettet „Geliebte Köchin“ nicht.

Der aus der Zeit gefallene Film ist unerträglich dekadent

Es könnte eher noch ein weiterer Kritikpunkt angeführt werden: Dieser nicht nur auf einer Ebene aus der Zeit gefallene Film — die Handlung spielt 1885 — ist unerträglich dekadent. Da drapieren sechs Herren, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun scheinen, als zu essen, weiße Servietten um ihre Köpfe, das kleine Geflügel auf den Tellern wird mehr inhaliert als verspeist. Ganz abgesehen von den Diskussionen über absurd lange Speisenfolgen und den richtigen Zeitpunkt für Mandelgebäck … Was für eine Welt, deren Mittelpunkt Mandelgebäck ist!

Wenn sie keine Wachteln haben, dann sollen sie doch Austern essen!

Da helfen auch die kurzen Momente nichts, in denen die scheinbare Einfachheit zelebriert wird, die Köstlichkeit eines Gemüse-Fleisch-Eintopfes etwa (dessen Zubereitung auch Stunden zu benötigen scheint).

Trotz hübscher und tragischer Liebesgeschichte bleibt der Eindruck, hier flüstert einem jemand über zwei Stunden lang ins Ohr: Wenn sie keine gedämpften Wachteln auf Orangenspiegel haben, dann sollen sie doch Austern essen!

Von Mariella Moshammer

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