Gelungene Therapie für Gott und sein Gewaltproblem

„Oh Gott“ in den Linzer Kammerspielen: Komödie um den Gott es Alten Testaments von Anat Gov

Gott ist schwer depressiv. Er will sterben. Solang er aber für die Menschen existiert, geht das nicht. Alle ausrotten? Geht auch nicht, da er ja einst Noah versprach, sowas nie wieder zu tun. Muss er auch nicht. Die Menschen töten inzwischen ägyptische Kinder eh selber oder werfen Feuer vom Himmel.  Sonne verfinstern und so, können und tun sie auch alleine, und wenn er an die FPÖ-Plakate denkt, „Euer Wille geschehe“, beutelt es ihn auch ab. Unabhängig von diesem selbstgestrickten Gag sieht er sich als wandelnde Niederlage, als schallende Enttäuschung vor Gott, also sich selbst, und der Welt.

Erstaunlich, dass der echt nicht feministische Gott gerade bei einer Frau Hilfe sucht, bei der Psychotherapeutin Ella, 42 Jahre, alleinerziehende Mutter eines autistischen Sohnes.  Sie ist zwar spezialisiert auf Kinder mit Lernschwächen und kann vorweg mit dem Mann, der seinen Namen nicht preisgeben will, wenig anfangen, dann aber nimmt sie den renitenten Klienten doch auf, auch wenn er in einer einzigen Sitzung all seine Probleme gelöst wissen will, dazu ein toxisches Machowesen an den Tag legt.

Als er sich schließlich als Gott outet, gibt sie ihm die Adresse eines Spezialisten für solche Anwandlungen.  Sie glaubt nicht nur die Aussage nicht, sondern hat generell ihren Glauben an Gott im Lauf ihres Schicksals verloren. Nachdem er aber mit einem kleinen Wunder ein Beispiel seiner göttlichen Macht demonstriert, außerdem Dinge aus ihrem Leben weiß, die keiner wissen kann, akzeptiert sie, dass tatsächlich ER es ist, der da auf ihrer Couch sitzt.  5785 Jahre alt, von Beruf Künstler, gibt er seine Stammdaten an. Die Großartigkeit von Regie und Schauspiel kommt nicht nur im hingeknallten Satz „Ich bin Gott“ voll zur Geltung.  Jedenfalls gibt es für den Gott des Alten Testaments viel aufzuarbeiten.

Die Therapeutin arbeitet mit üblichen therapeutischen Methoden. „Versetz Dich in Adam“, fordert sie ihn auf. Damit bringt sie Gott ganz schön in Verlegenheit, wie auch bei den zugehörigen Themen um die Schlange und den mörderischen Nachwuchs von Adam und Eva.  Dabei wollte Gott sich mit Adam einen Freund schaffen. Das mit der Frau ging daneben, daraus erklärt sich die göttliche Frauenfeindlichkeit. ER sorgt seither dafür, dass es seiner Menschheit schlecht geht, damit sie lieber IHN anrufen.

Die Therapeutin diagnostiziert schließlich ein Gewaltproblem. Erfolgreich schafft sie mit schulmäßigen Mitteln, erstmalig den göttlichen Zorn zu bändigen.

Therapeutin wie Gott argumentieren gemäß ihrer Lehrbücher, sachlich und logisch, oft überraschend und vor allem mit gottgewollter Ernsthaftigkeit, lässig und überaus witzig. Wie nebenbei schwingen stets auf beiden Seiten persönliche Empfindungen mit, die in menschlicher oder göttlicher Wucht gelegentlich ausbrechen.

Wenn es um Leid und das Böse geht, stellt sich auch die Frage nach Satan, und warum ausgerechnet der extrem fromme Hiob so leiden musste. Fragen über Fragen, im flotten, wortgewandten Dialog quer durch mehr als 5000 Jahre reißen sie eine Unzahl von Themen an, bieten Gelegenheit für heitere, meist recht kluge Wortgefechte, bleiben aber beim Plaudern. Klare Meinungen oder gar Lösungen weiß auch Gott nicht.

„Oh Gott“, eine Komödie der international erfolgreichen israelischen Autorin Anat Gov, feierte am Freitag in den Linzer Kammerspielen Premiere. Es changiert zwischen tiefgründigen Fragen mit klugen Abhandlungen und boulevard-mäßigen Verdrehungen. Vor allem aber steckt drin jede Menge Witz, voran der Jüdische mit perfekt gesetzten Pointen und viel Selbstironie auch in Elend und Verzweiflung.

Ein überragendes Zweipersonenteam lässt die 90 Minuten (ohne Pause) bis zum göttlichen Happy End verfliegen. Angela Waidmann als Ella überzeugt in allen Stimmungen und Gefühlen. Ihre professionelle Aufmerksamkeit wechselt zu persönlicher Neugier. Tief berührt reflektiert sie ihre kindliche Religiosität bis zu ihrer vermeintlichen Gottlosigkeit. Sie kontert Gott mit Logik, konfrontiert ihn damit, dass er seine Schuld nicht zugibt, dass er wie ein Macho agiert, um am Schluss völlig aufgeweicht ihren Glauben an Gott noch tiefer zu hinterfragen.

Christian Taubenheim spielt als Gott alle Stückeln. Dozierend, nicht mehr von sich überzeugt, deshalb verzweifelt, tritt er dennoch als Macho an. Biblischer Zorn überkommt ihn zu etlichen Fragen, aber auch große Tränen. Folgerichtig stellt auch er sich die Frage nach Sinn von Religion, Glaube, Schuld und dem Dasein schlechthin. Die Therapeutin führt ihn, bis er seinen möglichen Weg findet und auch Ella, als Frau und Therapeutin erlebt am Schluss was Wunderbares.

Und weil es eine Komödie ist, endet alles happy. Langer Applaus.

Von Eva Hammer

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