„Gemischter Satz“, gereicht zur Klassischen Klangwolke

Brucknerfest: Prague Philharmonia unter Tzigane, Teil zwei

Glücksgriff als Solistin: die Geigerin Chouchane Siranossian
Glücksgriff als Solistin: die Geigerin Chouchane Siranossian © Reinhard Winkler

Der Ausdruck „Gemischter Satz“ ist für Weinkenner ein Begriff. Er bedeutet das Vermischen verschiedener Rebenarten zur Kelterung einer besonderen, qualitätsvollen Weinsorte. Was soll dieser Ausdruck aus der Welt des Weines in einer Rezension zur Klassischen Klangwolke vom 1. Oktober im Linzer Brucknerhaus?

Auch hier wurden sehr unterschiedliche Werke zu einem Konzertprogramm zusammengestellt, um ein gutes Konzert zu generieren. Ausführende waren, wie schon am Abend zuvor im Linzer Mariendom (siehe Kritik auf Seite 14), die Prague Philharmonia unter Eugene Tzigane.

Geplauder statt Dialog

Grundidee war die Hommage an den Genius loci Anton Bruckner mit Kompositionen, welche direkt auf Brucknersche Themen Bezug nehmen oder von Bruckner selbst stammen. Gleich vorweg — diese Intention kann als nicht gelungen bezeichnet werden, waren doch die drei aufgeführten Werke von sehr unterschiedlicher Aussage und Qualität. Das Thema „Dialoge“ war insofern problematisch, als jedes Zitat z. B. aus der 8. Symphonie so ausdrucksvoll war, dass alles andere nur als Geplauder zu empfinden war.

Das erste Werk im Programm war „Bruckner Dialog“ für Orchester“ op. 39 aus 1971 von Gottfried von Einem (1918-1996), eine episch breit angelegte Komposition, selten gespielt, mit klaren Zitaten zu Bruckners 8. Symphonie, welche im Sinne eines Dialoges aus der Feder Gottfried von Einem so manche Antwort schuldig blieb. Werk Nummer zwei war das Konzert für Violine und Orchester h-Moll op. 52 aus 1932 von Richard Wetz (1875 -1935).

Dieser war, wie auch Georgina Szeless in ihrem heutigen Bericht darlegt, ein glühender Verehrer von Anton Bruckner. Sein Violinkonzert ist als Hommage an das große Vorbild Bruckner zu verstehen und zu empfinden und enthält ebenfalls Zitate aus Bruckners Achter. Das selten gespielte Werk gibt vor allem dem Solisten oder, wie an diesem Abend der Solistin Gelegenheit, virtuoses Spiel zu demonstrieren.

Großartige Solistin

Nach der Pause der dritte Programmpunkt, Bruckners Symphonie Nr. 1 c-Moll, WAB 101. Die hier dargebotene „Wiener Fassung“ wurde von Bruckner nicht allzu sehr geschätzt — er bezeichnete sie als „keckes Beserl“ — und ist dennoch eine schon in der Reihe der Symphonien Bruckners eine vollwertige Komposition mit einem sehr hohen Anspruch an Orchester und Dirigenten.

Die Prague Philharmonia, ein sehr groß besetztes Ensemble, war bemüht, den Anforderungen des Programmes und des Dirigenten gerecht zu werden. Allerdings hätte man lieber Smetana oder Dvorak von ihnen gehört. Der Dirigent war vor allem mit der Brucknerschen Symphonie überfordert. Mit großer Gestik allein kann man Bruckner nicht gestalten. So geht die tiefe, lyrische Seite in dieser Musik völlig verloren.

Als Glücksgriff hingegen entpuppte sich der Einsatz der aus Armenien stammenden Geigerin Chouchane Siranossian, die mit ihrer virtuosen Gestaltung des Solopartes großartig überzeugte. Berührend die Zugabe, ein armenisches Vokslied, verbunden mit der Ansage: „Musik kann kein Krieg töten“. Ergriffenheit beim Publikum, starker Applaus zum Dank.

Fazit: Ein durchaus interessanter Konzertabend mit Höhen und Tiefen und einem höchst zufriedenen Publikum. Das Klatschen nach jedem Satz der Symphonie war wohl der großen Zustimmung geschuldet.

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