Geraubt und gerettet: Kunstschau „Das Leben der Dinge“

Vorbildlich revitalisiert: Das alte Marktrichterhaus in Lauffen © APA/Wolfgang Huber-Lang

In bleibende Infrastrukturprojekte durfte das Kulturhauptstadt-Geld nicht fließen, aber einen Privatmann, der viel Geld in die Revitalisierung von Gebäuden des Salzkammerguts investiert und nichts dagegen hat, zur Eröffnung eines neuen Projekts eine Kunstausstellung zu beherbergen – das kam Intendantin Elisabeth Schweeger wie ein Lottotreffer vor. Entsprechend strahlte sie heute im Alten Marktrichterhaus in Lauffen mit Hausherr Peter Löw um die Wette.

Der deutsche Unternehmer und Chefkurator des von ihm ins Leben gerufenen „The European Heritage Project“ hat nicht nur Revitalisierungsprojekte in Frankreich und Deutschland umgesetzt. Auch ein altes Weingut in Südafrika oder zwei Palazzi am Canal Grande in Venedig habe man zu neuem Leben erweckt, erzählte er im Gespräch mit der APA. Dass er mit mittlerweile sechs alten Objekten den früher bedeutenden, zwischenzeitlich ziemlich heruntergekommenen alten Markt unweit von Bad Ischl zu neuem Leben erweckt hat, verdankt der Ort der Herkunft von Löw Gattin, einer gebürtigen Lauffenerin. „Was wir hier durch Ihr Engagement erleben dürfen, ist schon ziemlich sensationell“, dankte ihm Schweeger und meinte, bisher hätte sie nur in Hohenems erlebt, wie sehr ein ganzes Stadtviertel durch konzertierte Revitalisierung aufgelebt sei.

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In dem beeindruckend renovierten Marktrichterhaus hat kürzlich ein Kaffeehaus geöffnet. Die Räume im Obergeschoss, die später für Veranstaltungen vermietet werden sollen, beherbergten bereits die Krippenschau und sollen nun mit der Ausstellung „Das Leben der Dinge“ überregionales Publikum nach Lauffen bringen. „Hier eine Ausstellung mit zeitgenössischer Kunst zu machen, ist schon ein Wagnis, aber die Kulturhauptstadt macht es möglich“, bekannte Hemma Schmutz bei der heutigen Presseführung. Die Direktorin des Lentos Kunstmuseums hält den Ort jedoch für den idealen Abschluss der Ausstellung-Trilogie zu Raubkunst, waren hier doch in Stollen des Salzbergwerkes gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Kunstwerke der Wiener Museen zum Schutz vor Bombardierungen eingelagert.

Behandelt „Die Reise der Bilder“ bis 8. September im Lentos „Hitlers Kulturpolitik, Kunsthandel und Einlagerungen in der NS-Zeit im Salzkammergut“ und beschäftigt man sich im Kammerhofmuseum in Bad Aussee bis 3. November mit „Wolfgang Gurlitt. Kunsthändler und Profiteur in Bad Aussee“, so widmet sich „Das Leben der Dinge. Geraubt – verschleppt – gerettet“ in Lauffen nun bis 1. September in acht Räumen auf 230 Quadratmetern anhand von 14 zeitgenössischen Positionen dem Schicksal von Kunstwerken zwischen Raub, Verschleppung, Restitution und Rekonstruktion.

Die Themen reichen dabei von NS-Raubkunst bis zu kolonialem Raub, systematischem Kunstraub und kulturellem Genozid durch bewusste Zerstörung von Kunstwerken, die Umsetzung von leeren Vitrinen (Dierk Schmidt) über Videos (Nii Kwate Owoo und Maeve Brennan) bis zu Installationen. Der Libanese Said Baalbaki erinnert mit „One Hand Can’t Clap“ an die Zerstörungen während des libanesischen Bürgerkrieges. Die Türkin Hera Büyüktaşçıyan bastelt aus sechs eingerollten Teppichen die Basis für ein Floß. Michael Rakowitz, US-Künstler mit irakischen Wurzeln, hat in seiner großen Werkserie „The Invisible Enemy Should Not Exist Rekonstruktionen zerstörter Artefakte aus Verpackungsmaterial und Zeitungen aus dem Nahen Osten angefertigt – acht dieser Objekte sind in einer Vitrine zu sehen.

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Künstler Markus Proschek, gemeinsam mit Hemma Schmutz Kurator der Schau, zeigt die Leere des Museums in Mossul nach seiner Plünderung in einem auf einem Screenshot eines Videos der irakischen Armee beruhenden Gemälde. Ines Doujak steckt ein fälschlich restituiertes und später an Milliardär Bernard Arnault verkauftes Klimt-Gemälde in einer Home-Invasion-Situation in eine Louis-Vuitton-Tasche. Moussa Kone hat eine Graphic Novel gezeichnet. Und Lauffen hat plötzlich einen Platz auf der Kunst-Landkarte.

“Das Leben der Dinge. Geraubt – verschleppt – gerettet”, Ausstellung der Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut, Altes Marktrichterhaus Lauffen bei Bad Ischl, Lauffner Marktstraße 21, 27.4 bis 1. 9., Mi-So 12-17 Uhr, Eintritt frei. Katalog im Verlag der Provinz, mit Texten von Christian Höller, Sarah Jonas, Markus Proschek und Hemma Schmutz sowie einem Begleitwort von Elisabeth Schweeger: 15 Euro, salzkammergut-2024.at

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