
Wunderschöne Pflanzen breiten sich gerade im Linzer Schlossmuseum aus. Überall leuchtet es in den herrlichsten Farben, verzaubern Formen, die der Natur nachgeahmt sind. Dort, wo sonst ein ausgestopfter Elch Besucher begrüßt, greift jetzt nämlich „Österreichs größtes Korallenriff“ um sich.
Handarbeit von 2000 Personen
2000 Personen aus ganz Oberösterreich, aber auch von weiter her, sind daran beteiligt: haben Tausende einzelne Korallen gehäkelt, aus denen wahre Wollwunderwerke gebaut worden sind, die die von uns Menschen verschuldete Bedrohung ihrer natürlichen Vorbilder bewusst machen und uns aufrütteln soll. Die Schau mit dem Zusatztitel „Gehäkelte Meere und andere Abstraktionen — ein kollaboratives Projekt von Christine & Margaret Wertheim und dem Institut for Figuring inspiriert von Mathematik und Klimawandel“ ist bis 2. April 2024 zu sehen.
„Ein schönes Experiment“, freut sich OÖ Landes-Kulturchef Alfred Weidinger inmitten der gehäkelten Pracht. Man kann wohl eher sagen, ein gelungenes und eines, das auch noch nicht beendet ist, denn: „Nach wie vor kommen täglich Kisten mit Korallen bei uns an. Das Riff wird weiterwachsen.“
Die Idee wurzelt bei den Wertheims, zwei aus Australien stammenden und in Kalifornien lebenden Schwestern, „die unterschiedlicher kaum sein könnten“, wie Kuratorin Genoveva Rückert betont: Christine ist Künstlerin, Margaret Wissenschafterin. Gemeinsam entwickelten sie 2005 ihr „Crochet Coral Reef“-Projekt. Damals sei die Bedrohung der Korallenriffe und damit der Meere durch die Erderwärmung von der Wissenschaft ins Bewusstsein gerückt worden, betonen die beiden.
Die Umsetzung hat das weltweit größte Projekt partizipativer Kunst entstehen lassen, das auch schon auf der Biennale in Venedig präsent war und dem man neben dem Umweltgedanken wissenschaftliche, konkret mathematische, auch feministische und gemeinschaftsfördernde Aspekte abgewinnen kann.
Das österreichische Riff ist nun dessen 51. Satellit. Dafür wurden seit Anfang des Jahres Häkeltreffs im Schlossmuseum, aber auch an anderen Orten im Land veranstaltet. Auch Schulen und Einrichtungen wie pro mente haben sich mit von ihnen betreuten Personen beteiligt. Die Treffen hätten für ein besonderes Gemeinschaftsgefühl gesorgt und unter anderem auch für wertvolle Begegnungen zwischen Generationen, berichtet das Kuratorenteam. Gehäkelt wurde vorwiegend von Damen der Generation 60 plus, aber auch männliche Häkler fanden sich vereinzelt unter den Handarbeitenden.
Blaudruck, Goldhauben und Kreuzstich
Das Candy Reef etwa ist farblich noch recht nahe am Original. Es leuchtet einem von Weitem entgegen, bei näherer Betrachtung werden unendlich viele entzückende Details der Handarbeitskunst in sich kräuselnden Oberflächen sichtbar. Die gesamte beeindruckende Skulptur wird in einer Einbuchtung an der Wand präsentiert, was an ein Aquarium erinnert.
Anderen Riff-Teilen wurde eine typisch oö. Note eingearbeitet: So präsentiert sich einer in den Farben Rot und Weiß, ein weiteres prächtiges Gebilde in Blau und Weiß — Reminiszenzen an Kreuzstich und Blaudruck. An Goldhauben und ihre aufwendigen Stickereien hat man mit einem Häkel-Riff in Gold und Schwarz gedacht. Und weil die Künstlerin der beiden Wertheim-Schwestern Gustav Klimt so schätzt, wurde auch ein Wandgemälde, ein riesiges, in den typischen Farben gestaltetes Korallen-Fries, gebaut.
Mit einem der am dichtesten angelegten Korallenfelder, das aus rund 5000 einzelnen Korallen besteht, haben die Wertheims auch eine Arbeit mitgebracht, die bereits für eine Ausstellung im Burda-Museum in Baden-Baden entstanden ist und für das der Burda-Verlag seine Handarbeitscommunity aktiviert und motiviert hat. In einzelnen Glasboxen spiegeln und reflektieren sich gegenseitig besondere kleinere Arbeiten: eine Koralle etwa, die auf Plastiksand steht, der in manchen Gegenden der Welt mittlerweile ganze Strandabschnitte füllt.
Von Melanie Wagenhofer