„Helgoland 513“ bei Sky: Apokalypse made in Germany

Martina Gedeck an der Spitze der apokalyptischen Inselgesellschaft © APA/Sky Deutschland/Frédéric Batier

Die Ironie ist kaum zu übersehen. Mit der zeitgeistigen Endzeitserie „Helgoland 513“ endet auch die deutsche Serieneigenproduktion von Sky. „Ich begreife nicht, was da gerade geschieht, aber ich könnte mir vorstellen, dass sich die Amerikaner keine allzu große Konkurrenz heranzüchten wollen“, so Martina Gedeck zur APA. Sie spielt eine eiserne Inselchefin inmitten einer Pandemie.

Im Jahr 2036 haben sich wegen einer Seuche einige Hundert Deutsche auf der letzten virenfreien Felseninsel von der Außenwelt verschanzt. Aber mehr als 513 Personen kann die Gemeinde nicht versorgen (daher kommt die Zahl im Titel der Serie). Das behauptet zumindest die eiserne Inselchefin Beatrice, äußerst kompetent gespielt von Martina Gedeck, die ähnlich wie ihre Schauspielkollegin Kate Winslet in „The Regime“ eine Art verblendete Faschistin darstellt. Bereits in der ersten Folge setzt die Mutter ihren Sohn (László Breiding) auf dem verseuchten Festland aus (er hat es aber auch verdient).

„Es ist ein System der Denunziation, des Misstrauens und der gegenseitigen Bespitzelung“, sagt Gedeck über die Endzeitserie, die zu Ende denkt, was sich in Teilen unserer Welt bereits abzeichnet. „Das Ausgrenzen von bestimmten Bevölkerungsgruppen, das Mobbing, so fängt es an… und das erleben wir hier in Deutschland momentan sehr stark. Das ist wie ein Rausch, der die Leute ergreift. Man hat das Gefühl, niemand kann dem Einhalt gebieten und diese Unausweichlichkeit, diese Ohnmacht, dass sich die Dinge verselbstständigen, das ist ein Grundgefühl im Moment, das uns bedroht, und das bildet diese Serie auch ab. Das bekommt man vor Augen geführt – und das ist nicht immer angenehm.“

Nicht immer angenehm ist auch das Leben auf der Serieninsel. Gleich in den ersten Minuten stürzt sich der Großvater eines Neugeborenen für die Enkeltochter und die Gemeinschaft freiwillig von der Klippe. „Der Held des Tages!“ ruft die Inselreporterin (Kathrin Angerer), die alles dokumentiert. Wenn einer kommt, muss einer gehen. Auch Social Ranking ist ein Thema. Für schlechtes Benehmen gibt es „Punkteabzüge“. Dann rutscht man die Rangliste hinunter.

Es gibt auch „kleine komödiantische Ingredienzen“, sagt Gedeck, was die 62-jährige Schauspielerin auch an der Rolle der vielschichtigen Inselkönigin „gereizt hat“ und was sie „in der Form auch noch nie gespielt hat“. Der deutsche Dystopieprofi Robert Schwentke, der zwei der drei postapokalyptischen „Bestimmung“-Filme drehte, geht teilweise sehr spielerisch mit der Apokalypse um. Jede Folge ist mit einem alten deutschen Lied untermalt. Ein junges Mädchen singt Howard Carpendales „Deine Spuren im Sand“, und eine exzentrische Trödlerin hört „Marmor, Stein und Eisen bricht“, während sie durch ein ausgehöhltes Hamburg schlurft.

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Der Siebenteiler, der von Schwentke („R.E.D.“) zusammen mit Veronica Priefer und Florian Wentsch kreiert wurde, betritt natürlich vertrautes Weltuntergangsterrain mit Klischees, die man aus US-Filmen und Serien kennt. Es gibt eine machthungrige Führungspersönlichkeit, rebellische „Kupfer Kids“ (weil sie mit dem Metall handeln) und exzentrische Überlebenskünstler wie den „Grafen von Hamburg“ (ein sehr charmanter Samuel Finzi). Und dann ist da der Inselarzt (ein überzeugender Alexander Fehling), der wütend nach einem Impfstoff forscht und sich um seinen infizierten Sohn (gespielt von dem Österreicher Tobias Resch) kümmern muss.

In Sachen Inszenierung steht man hier den amerikanischen Dystopien um nichts nach. Der Hafen von Hamburg ist schäbig und überwuchert mit Vegetation, und Frachtschiffe liegen gestrandet im Meer. Die Insel (gedreht wurde auf Sylt und Amrum) bietet neben Nebelschwaden und Tristesse auch grasige Dünen, aber im Kern geht es vor allem um die Auseinandersetzung mit einer Frage: Welchen Wert hat welcher Mensch? Und wer entscheidet darüber?

Düstere Zukunftsaussichten gibt es nicht nur in der Serie. Mit „Helgoland 513“ enden auch die deutschen Serienoriginals von Sky – ein Verlust für den deutschen Kreativmarkt, der ohnehin in der Existenzkrise steckt. „In Deutschland gibt es im Moment nicht genug Unterstützung für den sogenannten Arthousefilm“, meint Gedeck, die dank Werken wie „Die Wand“, „Der Baader Meinhof Komplex“ und „Das Leben der Anderen“ zu Deutschlands bekanntesten Schauspielerinnen zählt. „Vieles wird nicht realisiert, weil es keine Lobby und zu wenig Geld gibt. Es wird auch mehr und mehr darauf gepocht, dass alles mainstreamtauglich und streamerkompatibel ist.“

Was Österreich betrifft, „da kann ich die Lage schlecht beurteilen“, meint die gebürtige Münchnerin weiters. „Ich erlebe nur, dass die Österreicher grundsätzlich ein größeres Interesse an ausgefallenen Geschichten, an Schrägheit, an Eigenheiten, und an allem, was nicht in den Mainstream gehört, zu haben scheinen. Der Film ist ganz wichtig für die Menschen in Deutschland. Aber in der Branche geht es hart her.“

sky.at

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