„Hildegard Knef war natürlich keine Whitney Houston“

Madeleine Joel mit Debütalbum und Knef-Hommage „Alles oder nichts“

In „Alles oder nichts“ begibt sich die gebürtige Oberösterreicherin Madeleine Joel auf die Spuren Hildegard Knefs.
In „Alles oder nichts“ begibt sich die gebürtige Oberösterreicherin Madeleine Joel auf die Spuren Hildegard Knefs. © Lukas Beck

Pünktlich zum 20. Todestag von Hildegard Knef bringt die in Linz geborene Musikerin Madeleine Joel (Jg. 1994) ihr Album „Alles oder nichts“ heraus: Eine ganz persönliche Hommage an „die Knef“ der Ö1-Jazzstipendiatin 2021 mit entstaubten und neu arrangierten Knef-Songs.

VOLKSBLATT: Sie haben sich für das Album intensiv mit Hildegard Knef auseinandergesetzt. Was fasziniert Sie an der Frau?

MADELEINE JOEL: Ich bin durch Zufall auf Hildegard Knef gestoßen und habe sehr wenig gewusst — jetzt weiß ich ziemlich viel, oder fast alles, über sie. In erster Linie sind es diese Stärke und Eleganz, die mich fasziniert haben und auch inspirieren. Sie war eine irrsinnig starke Persönlichkeit mit starkem Auftritt auf der Bühne und in der Öffentlichkeit. Das war in der damaligen Zeit doch schon emanzipiert. Sie ist unbeirrt ihren Weg gegangen, obwohl es auch Kritik gab. Das habe ich auch übernommen, mit negativer Kritik umgehen und trotzdem seinen Weg machen. Das gefällt mir, diese positive Unangepasstheit.

Ist das auch etwas, das Sie als junge Musikerin kennen? Dass man seinen Weg finden muss, und dann auch den Mut und die Kraft, den durchzuziehen?

Absolut! Man braucht viel Mut und sehr viel Stärke und sehr viel Konsequenz. Wenn man gewisse Ziele und Träume hat und die konsequent verfolgt, dann ist es nicht immer einfach. Natürlich eckt man auch an, wenn man eine eigene Meinung hat. Das habe ich auch schon erfahren. Das ist ein bisschen unangenehm zum Teil, aber das wichtigste ist, dass man sich selbst treu ist.

Wie geradlinig war denn Ihr Werdegang? Gab es auch einen Plan B, oder war immer klar, dass Musik der Mittelpunkt Ihres Lebens sein soll?

Mit 15 hat sich dieser Wusch, Musikerin, Künstlerin zu sein, ziemlich manifestiert in mir. Es gab nie einen Plan B. Aber für diesen Weg braucht man viel Geduld, aber auch viel Unterstützung, wenn man so jung diesen Plan fasst. Es ist ja nicht gleich so, dass einem der finanzielle Erfolg die Tür einrennt. Das habe ich gehabt, auch die Akzeptanz und Toleranz. Ich habe mich dann für ein Oberstufengymnasium mit Schwerpunkt Musik entschieden. Da wurde meine Liebe noch intensiviert, weil ich einen ganz tollen Lehrer hatte, der mich in den Jazz reingezogen hat. Mit 16 habe ich dann das Vorbegabtenstudium an der Anton Bruckner Privatuniversität begonnen, dann bin ich nach Wien an die Jam Universität, dann an die MUK. Jetzt schließe ich meine pädagogische Ausbildung ab und dann beginne ich auch noch den Master of Saxofon, und dann ist es auch gut (lacht).

Sie sind Saxofonistin und Sängerin. Welche Leidenschaft war zuerst da?

Seit ich denken kann, singe ich. Ich war irrsinnig musikalisch als Kind, ich war immer laut, habe die ganze Zeit gesungen. Zum Singen habe ich einen ganz natürlichen Zugang. Die Idee fürs Saxofonspielen ist relativ spät gekommen, eben erst mit 14. Das habe ich dann auch bei verschiedenen Professoren erlernt. Singen empfinde ich als so natürlich, als so selbstverständlich, dass ich gar keine Ausbildung im akademischen Sinn möchte. Das ist einfach mein Selbststudium.

Sie sagen, Sie sind zufällig zu Hildegard Knef gekommen. Was war das für ein Zufall?

Mit Anfang 20 habe ich in Oberösterreich ein Konzert gegeben, da habe ich sowohl gesungen als auch Saxofon gespielt. Meine Mutter hatte an diesem Abend Geburtstag. Als Überraschung habe ich, ein bisschen umgetextet, „Für dich soll’s rote Rosen regnen“ gesungen. Ich wollte ein bisschen die sentimentale Ebene bedienen, damit es ein bisschen kitschig wird. Im Zuge dieser Vorbereitung habe ich sehr oft mitgesungen mit Hildegard Knef. Und wie es bei YouTube so ist, kommt einfach das nächste Lied rein. Dann bin ich reingekippt und habe jeden Tag Knef-Songs gehört. Alleine diese tiefe Stimme und die deutschen Texten, auch dieser Jazz-Aspekt, das hat mir echt gut gefallen. Irgendwann ist der Tag gekommen, wo ich mir gedacht habe, ich will nicht mehr mit ihr mitsingen, sondern ich will alleine singen. Und das auf meine eigene Art und Weise wiedergeben.

Es gibt ja das Zitat, Hildegard Knef sei die beste Sängerin ohne Stimme – wie eignet man sich diesen Stil an, wenn man selbst Sängerin ist und Stimme hat?

Ja, danke für das Kompliment. Das war natürlich schon überspitzt formuliert von Ella Fitzgerald. Hildegard Knef war natürlich keine Whitney Houston in dem Sinne. Aber ich liebe so sehr an ihr, dass sie eine absolute Charakterstimme hatte. Man hört drei Sekunden ihre Stimme, egal ob sie singt oder spricht, und man weiß, es ist Hildegard Knef. Heutzutage im Pop, das klingt alles so gleich. Dem möchte ich auch entgegenwirken. Hildegard Knef konnte auch irrsinnig gut erzählen. Sie erzählt Geschichten und man glaubt ihr jedes Wort. Das können nicht so viele Sängerinnen und Sänger. Singen, Text lernen, gut intonieren – das ist eine Sache. Aber eine Geschichte erzählen und das so, dass das Publikum dir glaubt, das ist eine andere. Ich habe gelernt, dass Glaubhaftigkeit eine immens wichtige Sache ist beim Singen. Da ist Hildegard Knef eine wahrhaftige Meisterin. Es ist auch sehr charmant, dass sie, wenn man manche Aufnahmen hört, wirklich daneben intoniert. Heute klingt alles so perfekt, es hat auch seinen Charme, wenn man ‘mal nicht perfekt singt.

Sie haben die Knef nicht nachgeahmt, es ist kein Karaoke-Album. Was haben Sie denn musikalisch mit den Liedern gemacht?

Ich wollte auf jeden Fall verschiedene Stilistiken bedienen. Das eine Lied ist mehr jazzig, das andere Bossa Nova, dann gibt es modale Lieder, die sehr modern sind, fast so Synthesizer-mäßig, dann Blues. Natürlich wurde auch reharmonisiert, damit es moderner klingt. Und meine Band, die Hildeguards, haben viel Platz für Soli. Und es liegt dann doch auch an mir, wie ich die Lieder interpretiere. Ich habe da mein eigenes Kopfkino, meine eigenen Emotionen. Ich habe zwar eine sehr tiefe Stimme, ich singe fast alle Lieder in der Originaltonart. Aber ich glaube, bei mir hört man doch noch die Jugend. Ich hoffe es zumindest (lacht).

Wieviel Hildegard Knef und wieviel Madeleine Joel steckt denn in dem Album?

Ich würde sagen, das ist wirklich halbe-halbe. Ich hab mir ja die Lieder im Loop angehört, oft stundenlang. Ihre Seele ist definitiv voll dabei, im Album und hoffentlich auch bei den Live-Auftritten. Trotzdem zeige ich auch, wer ich bin. Manchmal kommen mir auch so Gedanken, was hätte sie wohl gesagt, wenn sie das jetzt so hören würde. Sie war ja eine sehr kühle Persönlichkeit, aber es ist ein großer Wunsch, dass sie gesagt hätte: „Ja, ist schon gut, ist nicht schlecht.“

Werden Sie sich im nächsten Album komplett loslösen von Vorbildern wie der Knef? Also 100 % Madeleine Joel?

Diese Frage habe ich mir witzigerweise auch vor wenigen Tagen gestellt. Ich habe ein paar Optionen. Es könnte ein zweites Knef-Album geben, vielleicht mit vokalen Duetten. Oder es kommt ein Saxofon-Album mit meiner Autobiografie. Oder es kommt ein Vokal-Album mit meinen eigenen Texten.

Ab Mitte März stellen Sie Ihr Album live vor, auch in Bad Schallerbach (18.8.). 2023 soll es dann nach Deutschland und in die Schweiz gehen. In Ihrer Heimatstadt Linz ist aber noch kein Auftritt geplant …

Ich will es ja unbedingt. Ich war auch schon mit Paul Zauner im Kontakt und hoffe, dass sich da etwas ergibt. Es wäre ein Wahnsinn, wenn ich nicht in Linz auftreten würde.

Haben Sie noch starke Verbindungen zu Oberösterreich?

Ja, familiär bedingt. Der Besuch bei der Oma, der ist mir immens wichtig. Und ich verbringe auch soviel wie möglich Zeit bei meiner Familie. Ich komme immer wieder in die Heimat und genieße es sehr. Für meine Großmutter wäre ein Auftritt von mir in Linz auch ideal.

Greifen Sie bei dem Knef-Programm auch selbst zum Saxofon?

Ja, ich spiele bei zwei, drei Liedern. Ich würde sagen, das ist Knef modern. Es muss sich ja ‘was verändert haben.

Mit MADELEINE JOEL sprach Mariella Moshammer

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