Hubert von Goisern: „Mein Fell wird nicht dicker“

Der Musiker aus Bad Goisern wird heute 70 Jahre alt – Zwischenbilanz über Musik, Kritik, Klima

„Es muss Adrenalin dabei sein“: Hubert von Goisern
„Es muss Adrenalin dabei sein“: Hubert von Goisern © APA/Griessner

In jungen Jahren hat er die Leute mit seinen musikalischen Vorstellungen teils vor den Kopf gestoßen, mittlerweile ist er aus der heimischen Musikszene nicht mehr wegzudenken: Hubert von Goisern hat mit seiner unkonventionellen wie weltoffenen Art große Erfolge gefeiert.

Heute wird der vielseitige Künstler 70 Jahre alt. 2023 geht von Goisern noch einmal auf Tour, vielleicht „das letzte Mal, wo ich richtig laut werden will“.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken: Welches Erlebnis ist Ihnen da besonders in Erinnerung?

HUBERT VON GOISERN: Es gibt natürlich viele. Woran ich jetzt gerade denken musste, ist die Frankfurter Musikmesse Ende der 1980er-Jahre, auf der ich Schlagzeuger Jon Hiseman von Colosseum getroffen habe. Bei einem Essen habe ich ihn nach seinem Rat gefragt, wie man es im Musikbusiness schafft. Er meinte: „Es gibt zwei Regeln. Erstens: Was immer passiert, gib niemals auf! Und zweitens: Spiele niemals auf Partys!“ (lacht) Beide habe ich mir zu Herzen genommen, und beide haben eine Berechtigung.

Ein roter Faden in Ihrem Werk ist die beständige Suche nach Neuem. Wie schwer ist es, diesem Selbstverständnis treu zu bleiben?

Für mich wäre es viel schwerer, immer nur dasselbe zu machen, nur weil es die Leute wollen oder weil es von Erfolg gekrönt ist. Wenn ich den Kick nicht habe, dass es auch mit Risiko verbunden ist, dann ist es zu wenig. Es muss Adrenalin dabei sein: Verstehen es die Leute, wollen sie es verstehen, kommen sie noch? Ich brauche das.

Gab es Dinge, die Sie nicht umgesetzt haben, weil es sich nicht ausgegangen ist?

Nein. Aber es gibt einige Sachen, die mit sehr großem Aufwand verbunden sind und die ich deswegen vor mir her schiebe. Ich habe ja im Jahre Schnee schon davon geredet, ein Bühnenwerk zu machen. Der Traum ist, eine tibetische Oper für den Westen zu produzieren. Aber die, die ich dafür brauche, sind in Nordindien zuhause. Und es kamen mir immer andere Ideen dazwischen.

Entstehen die besten Ideen nebenbei?

Im Nachthimmel gibt es diese Sterne, die du nicht siehst, wenn du genau hinschaust. Du musst den Blick ein bisschen zur Seite wenden, weil du diesen blinden Fleck am Auge hast. So ist es bei Ideen auch: Wenn du sie anstarrst, wird es nichts. Du hast eh alle Fragen dauernd im Kopf und die wühlen herum. Manchmal fliegt eben das Vogerl vorbei und du erwischst es.

Auf Ihren vielen Reisen waren Sie als Zuhörer unterwegs und haben unterschiedlichste Kulturen kennengelernt. Was verbindet uns?

Die Sehnsucht nach Geborgenheit. Auch die Neugier, selbst wenn die bei manchem außerhalb von seinem Blickfeld aufhört, weil es da eh genug gibt. Was uns verbindet, ist der Wunsch, ab und zu ein Fest und das Leben zu feiern. Und dann ist der Schritt zum Singen und Musizieren nicht weit. Dadurch entsteht auch eine Gemeinsamkeit, durch Töne, Gesang und Tanz. Dann werden einzelne Figuren zu einem Organismus.

Sie hatten am Anfang Ihrer Karriere mit viel Kritik zu kämpfen. Lernt man mit der Zeit, sich ein dickeres Fell zuzulegen?

Nein, mein Fell wird nicht dicker. Auf der jüngsten Tour habe ich mit dem Lied „Meiner Seel“ die Corona-Leugner besungen, die Fakten einfach nicht wahrnehmen wollen und sich ihre eigenen Fakten erfinden, nur damit sie sich eine einfache Lösung zurechtzimmern können. Deswegen habe ich einen ziemlichen Shitstorm geerntet. Es trifft mich total, dieser Hass und diese Dummheit. Da kommt dann schon der Reflex auf: Vielleicht sollte ich über das Thema nicht mehr reden. Aber dann ist der nächste Gedanke: Wenn ich nicht so sein darf, wie ich bin, dann brauche ich nicht auf die Bühne gehen!

In einigen Liedern haben Sie auch die Klimakrise angesprochen. Denken Sie, dass wir uns als Gesellschaft noch ändern können und die Dringlichkeit des Problems wahrnehmen?

Ich bin nicht so optimistisch. Die Katastrophen werden größer werden. Das ist so krank! Unlängst habe ich eine kleine Notiz gesehen: Der Plastikmüll in den Weltmeeren hat sich seit 2004 versiebenfacht. Wie lange wissen wir schon, dass das so nicht geht? Aber es gibt keine Reaktion. Vielleicht werden wir wirklich erschlagen von zu vielen Meldungen, die einen Handlungsbedarf nach sich ziehen sollten, dass wir schon einen Totstellreflex haben. Erst wenn der Leidensdruck groß genug ist, sind wir bereit, irgendetwas zu ändern. Offenbar ist das einzige, was uns bleibt, uns anzupassen an immer dramatischere Bedingungen.

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