Goiginger: „Ich bin einfach ein bissl ein Kitschmensch“

Filmemacher Adrian Goiginger über die Arbeit mit Füchsen, Pinzgauer Dialekt & den „Boandlkramer“

FilmemacherAdrian Goiginger
Filmemacher Adrian Goiginger © Patrick Langwallner

Bekannt wurde er mit „Die beste aller Welten“, nun hat der Salzburger Filmemacher Adrian Goiginger (31) einen Film über seinen Uropa gedreht, der als Motorradkurier im 2. Weltkrieg mit einem Fuchs unterwegs war. Kinostart von „Der Fuchs“ ist am 13. Jänner.

VOLKSBLATT: Wie fühlen Sie sich, nachdem Sie den lang gehegten Wunsch, einen Film über Ihren Urgroßvater zu drehen, realisiert haben?

ADRIAN GOIGINGER: Einerseits extrem erleichtert, weil es ja ewig gedauert hat. Die Idee hatte ich schon mit 15. Andererseits total nervös, weil so viel dranhängt, so extrem viel Zeit, Kraft, Arbeit und Geld reingesteckt worden ist von so vielen Leuten. Da ist der Druck schon groß. Ich hoffe, dass die Geschichte die Leute auch so berührt, wie sie mich als Kind berührt hat.

„Der Fuchs“ basiert auf den Erinnerungen ihres Uropas…

Ich habe mit 17 angefangen aufzunehmen. Bis zu seinem Tod haben wir uns acht Jahre lang immer wieder getroffen. Das Schönste war, dass wir uns richtig nahegekommen sind, gute Freunde geworden sind.

Der Film ist eine wunderschöne Parabel über die Liebe. Franz will für den Fuchs der Vater sein, der ihm selbst gefehlt hat, um dann festzustellen, dass auch er in eine ausweglose Situation geraten kann. Ihre zentrale Botschaft?

Dass man denen, die man liebt, oft auch wehtun muss, harte Entscheidungen treffen muss, gerade in solch einer argen Zeit. Das war vor 100 Jahren leider ein Massenphänomen in Österreich, dass Kinder weggegeben worden sind, weil die Eltern sie nicht ernähren konnten. Die zweite Botschaft ist, wie wahnsinnig wichtig Vergebung ist. Mein Urgroßvater hätte ein Leben lang Hass und Groll verspürt, wenn er es nicht geschafft hätte, seinem Vater irgendwie zu vergeben, dass er ihn weggegeben hat.

Sie zeichnen für Drehbuch, Regie und Produktion verantwortlich. War es Ihnen wichtig, alle Fäden in der Hand zu halten?

Ich wollte einfach wirklich genau den Film machen, den ich im Kopf hatte, noch dazu, wo es eine familieneigene Geschichte ist. Und das ist kein Kriegsfilm, es ist ein Film über Verlassenwerden und über Vergebung.

Wie haben Sie sich vorbereitet?

Ich habe um die 50 Interviews mit Zeitzeugen gemacht, viele Briefe und Kriegstagebücher gelesen, mit Historikern und Sprachforschern geredet, um für Authentizität zu sorgen. Simon Morzé, der meinen Uropa spielt, hat sich zwei Jahre vorbereitet. Er hat vier Monate auf einem Bergbauernhof im Pinzgau gearbeitet, um die Sprache zu lernen. Er hat auch die Füchse mit großgezogen, damit sie keine Angst haben vor ihm. Er war bei einem Crashkurs mit einem Berufsoffizier und ich bin mit ihm den Weg abgefahren, den mein Urgroßvater damals als Motorradkurier gefahren ist.

Dass den Pinzgauer Dialekt nicht jeder Zuseher gut verstehen könnte, ein Risiko, das Sie bewusst eingehen?

Teile am Anfang sind ja untertitelt, in Deutschland der ganze Film. Das ist ein Risiko, aber ich bin überzeugt, dass das der Authentizität hilft. Mir ist es wichtiger, dass man einen Film fühlt, als dass man jedes Wort versteht. Diese Bauern sind oft zum ersten Mal in ihrem Leben im Krieg aus dem Dorf gekommen und dann zur Wehrmacht, wo Offiziere gestochenes Hochdeutsch sprachen. Das gibt allem noch einmal eine wahnsinnige Echtheit, wenn da verschiedene Dialekte aufeinandertreffen.

Echte Sprache, echte Füchse. Wie war die Arbeit mit den wilden Tieren?

Wir haben gewusst, dass es zach wird und so war es auch. Wir haben alles dem unterordnen müssen, damit das vor der Kamera funktioniert. Wir haben mit Tiertrainern zusammengearbeitet, hatten immer ganz wenig Leute am Set, damit die Füchse nicht abgelenkt wurden und haben möglichst schnell gedreht, weil die Tiere nicht so lange Kondition haben. Da betraten wir ziemliches Neuland.

Karl Markovics singt am offenen Feuer in der Bauernstube ein altes Volkslied, das Sie ausgegraben haben.

Ich finde es total reizvoll, dass viele solcher Geschichten und Lieder jahrhundertelang nur mündlich überliefert worden sind. Mir taugt des schon sehr, dass ich das gefunden habe und verwenden kann und dass es dadurch quasi auf Film bleibt.

Ähnlich ist es mit der Geschichte über den „Boandlkarmer“. Franz wird als Bub schwer krank und spricht mit seinem Vater über den Tod. Da geht es um den „grechten“ Zeitpunkt, um zu gehen.

Wir leben in einer Gesellschaft, wo man das Gefühl hat, jeder will unsterblich sein. Als mein Urgroßvater mit 100 gestorben ist, war er wirklich froh, nicht, weil es ihm schlecht gegangen ist, aber es hat einfach gereicht. Das finde ich sehr schön, dass Sterben eigentlich nicht schlimm ist. Ich hoffe, dass ich damit dem einen oder anderen die Angst vorm Tod nehmen kann.

Sie erzählen ausschließlich aus der Sicht von Franz.

Ich fand es reizvoll, konsequent die Position eines einfachen Bauernjungen einzunehmen, damit man sich vorstellen kann, wie das war für Leute war, die sich über Politik nicht viele Gedanken gemacht haben. Viele wollten einfach schauen, dass sie was zum Essen kriegen, den nächsten Winter überstehen.

Die Perspektive von Franz, bedächtiges Erzählen und wunderschöne Landschaftsaufnahmen sind ein sehr persönliches Empfinden. Könnte das nicht den Eindruck einer Idylle im Krieg hinterlassen?

Es gibt ja Szenen, die schonungslos die schlimmsten Seiten des Krieges zeigen mit Leichen und wie alle unter Drogen gesetzt worden sind und Frauen, die ihre Männer verloren haben. Am Ende, als Franz aus der Kriegsgefangenschaft zurückkommt, ist dann klar, wie der Krieg ihn zermürbt und zerstört hat. Aber zeitweise, etwa im Frankreichfeldzug, herrschte unter den Soldaten eine wahnsinnige Euphorie, die haben in sechs Wochen Frankreich eingenommen, das ist nichts Politisches. Ich wollte auch das authentisch erzählen.

Warum haben Sie das Format 4:3 gewählt?

Wir wollten dieses historische Gefühl verstärken. 4:3 hilft auch, das Eingesperrtsein vom Franz zu unterstützen, der alleine ist mit seinem Fuchs. Und der Film ist ein bissl eine Referenz an „Son of Saul“ von László Nemes und mit viel Handkamera auch eine an Terrence Malick, beide Vorbilder von mir.

Die Soldaten bekommen Pervitin für den Fronteinsatz.

Vor allem Panzerfahrer haben das gekriegt, darum nannte hat man es auch Panzerschokolade, aber auch Motorradkuriere. Chrystal Meth würde man heute dazu sagen, eine starke Aufputschdroge zum Durchhalten. Nicht nur in der deutschen Armee waren viele davon abhängig.

Von der politischen Gesinnung des Urgroßvaters wird kaum etwas deutlich.

Er war zu Beginn total unpolitisch, wollte nur essen und überleben. 1942 in Stalingrad hat er wie viele andere dann gecheckt, dass Hitler ein wahnsinniger Massenmörder ist und sie nur belogen und betrogen hat. Er hat begonnen, das ganze Nazi-Regime zu verabscheuen.

Das Ende ist erfunden und versöhnlich. Warum war Ihnen das wichtig?

Ich bin einfach ein bissl ein Kitschmensch und mag Filme, die einen Schimmer Hoffnung geben und nicht einfach nur trist, traurig und hoffnungslos sind. Es wird in meinen Filmen, glaub´ ich, nie ein schlechtes Ende geben.

Inzwischen haben Sie sich leichterer Kost zugewandt…

Der Film über Voodoo Jürgens ist wirklich lustig geworden und kommt frühestens im Herbst ins Kino. Es ist die Geschichte eines strauchelnden Straßenmusikers, der seit Jahren an seinem ersten Album schreibt und das nicht auf die Reihe kriegt, das fertig zu machen und von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt — also quasi ein liebenswerter Versager.

Wie sieht es mit den Plänen für eine Fortsetzung der „Piefke Saga“ aus?

Das Projekt ist in einem frühen Entwicklungsstadium. Ich schreib´ jetzt einmal das Drehbuch, für die Regie, denke ich, bin ich auch angedacht.

Mit ADRIAN GOIGINGER sprach Melanie Wagenhofer

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