Im Kasino wird Nestroy-Posse „durch den Fleischwolf gedreht“

Das „Cypressenburg“-Ensemble: Zeynep Buyraç, Ernest Allan Hausmann, Moses Leo, Ming, Safira Robens (v.l.) © APA/APA / Burgtheater/Marcella Ruiz Cruz

Nestroy-Bearbeitungen stehen derzeit hoch im Kurs. Wenige Tage nach Yasmos Rap-Version von „Häuptling Abendwind“ im Rabenhof kommt „Der Talisman“ im Kasino auf die Bühne – und wird auf den ersten Blick nicht wiederzuerkennen sein. „Wir haben die Story durch den Fleischwolf gedreht“, sagt Regisseurin Isabelle Redfern. Wir – das sind Autorin Golda Barton und das Kollektiv MamaNoSing. Das kräftig gewürzte Stück-Faschierte heißt nun „Cypressenburg“. Uraufführung ist am Freitag.

Burgtheater-Dramaturg Andreas Karlaganis habe an der Volksbühne Berlin „Sistas!“, Golda Bartons Überschreibung der „Drei Schwestern“, gesehen und das Team MamaNoSing nach Wien eingeladen, sagt Redfern, die hier auch schon als Schauspielerin (in „Geächtet“ und „Die Ärztin“) engagiert war. Die Themen Diversität und Rassismus, kulturelle Aneignung und Identität, mit denen sie Tschechow einen kräftigen neuen Anstrich verpasst haben, sind schließlich derzeit auf den Bühnen stark nachgefragt.

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Die Posse „Der Talisman“, in der die beiden Rothaarigen Titus Feuerfuchs und Salome Pockerl sich gegen Vorurteile zu Wehr setzen müssen, schien prädestiniert für aktuelle Eingriffe. „Ich wusste nicht so recht, worauf ich mich da einlasse“, lacht die Regisseurin im Gespräch mit der APA. „Ich wusste aber, dass Nestroy ein kluger, witziger, schlagfertiger Autor ist – und ich wusste, dass ich gerne nochmals ganz ähnlich wie bei ‚Sistas!‘ arbeiten möchte – mit Musik und der Einarbeitung von vielen aktuellen politischen Themen.“

In „Cypressenburg“ ist aus dem Barbiergesellen Titus Feuerfuchs der junge Arthouse-Filmemacher Titus Fox geworden, der einen Film über Diskriminierung drehen möchte, in dem eine „Magic Wig“ das Schicksal wendet. Als Finanzier hofft er seinen Onkel Carl Carl, Produzent bei der Filmsociété Cypressenburg, zu gewinnen. „Für dieses Stück im Stück benutzen wir den ‚Talisman‘-Plot. Der Rest ist komplett anders“, erklärt Redfern und warnt: „Es ist nicht Nestroy!“

Schon früh sei sie mit der hiesigen Ehrfurcht vor Nestroy und der Skepsis, als „Piefke“ diesem Ur-Wiener Theaterautor überhaupt gerecht werden zu können, konfrontiert geworden, schildert die gebürtige Münchnerin, die sich aber im Geiste eins weiß mit dem einstigen Publikumsliebling: „Ich möchte mir dem Stück und den Figuren unterhalten. Ich will kein pädagogisches Theater machen. Ich will Themen wie Cultural appropriation, Rassismus, Blackfacing und Whitewashing so behandeln, dass daraus Empowerment entsteht. Ich bin sehr gespannt, ob das hier ein Publikum finden wird.“

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Besteht nicht die Gefahr, durch Produktionen wie „Cypressenburg“ mit den angesprochenen Themen und dem prononciert diversen Ensemble (es spielen Zeynep Buyraç, Ernest Allan Hausmann, Moses Leo, Ming und Safira Robens) eine Feigenblattfunktion einzunehmen? Da sei was dran, gibt Isabelle Redfern zu. „Einerseits ist durchaus etwas weitergegangen, andererseits entspricht etwa das Burgtheater-Ensemble sicher nicht einer prozentual richtig verteilten Repräsentation der Bevölkerung. Ich bin gespannt, ob da mit der neuen Direktion noch mehr weitergeht …“

Ob sie in der Direktion Stefan Bachmann wieder als Schauspielerin am Burgtheater zu sehen sein wird, ist noch völlig ungewiss. Derzeit hat sie das Glück, in Berlin gleich in drei Häusern (Schaubühne, Volksbühne und Deutsches Theater) auf der Bühne zu stehen. „Ich spiele sehr gerne. Es ist auch fürs Regieführen eine sehr gute Schule.“ Mit dem Kollektiv MamaNoSing ist aber auch schon die nächste Überschreibung anvisiert: In den Berliner Sophiensälen nimmt man sich im September unter dem neuen Titel „Datscha“ Gorkis „Sommergäste“ vor.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

„Cypressenburg“ von Golda Barton nach Nestroy, Regie: Isabelle Redfern, Mit: Zeynep Buyraç, Ernest Allan Hausmann, Moses Leo, Ming, Safira Robens. Uraufführung im Kasino am Schwarzenbergplatz. Premiere: 12. April, 19.30 Uhr. Nächste Vorstellungen: 21. und 25. April, burgtheater.at; isabelleredfern.com

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