Im Schatten eines Cowboyhutes

„Vera“: Sensibles Filmporträt über die Tochter von Giuliano Gemma

Zwei „Töchter von“:Vera Gemma und Asia Argento
Zwei „Töchter von“:Vera Gemma und Asia Argento © Stadtkino Filmverleih

Im Bett hat sie einen adretten jungen Mann, der von ihr für sein Talent als Regisseur Anerkennung will. Sie hat lobende Worte für seine umfassende Schönheit. Das kränkt ihn und Vera fragt sich, was nur alle für ein Problem mit der Schönheit hätten.

Über dem Bett der Schauspielerin ohne nennenswertes Engagement hängt das Porträt ihres Vaters, Reminiszenz an ihn in vielen Szenen: Cowboyhüte in allen Farben. Das Italo-Austro-Regie-Duo Tizza Covi und Rainer Frimmel hat Vera Gemma nicht nur einen Job gegeben, sondern ihr den ganzen Film gewidmet, ihm den Namen „Vera“ gegeben.

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Fiktion & Dokumentation

Ulrich Seidl hat in „Rimini“ die Geschichte eines alternden Schlagerstars erzählt, Covi und Frimmel gehen ein Stück weiter und lassen in ihrem Spielfilm Vera Gemma selbst die Tochter der Italowestern-Ikone Giuliano Gemma spielen. Ein gekonntes und fesselndes Verschwimmen von Fiktion und Dokumentation.

Die Schönheit habe bei ihnen immer eine riesige Rolle gespielt, sagt Vera, sieht sich Filmaufnahmen aus der Kindheit an und erkennt, dass die Nasen-Operationen für sie und ihre Schwester nicht nötig gewesen wären. Bei der Nase war für Vera nicht Schluss, zu „modern“ sei ihr Gesicht für einen Kostümfilm, umschreibt ein Regisseur beim Casting, welche Spuren der Wahn nach Schönheit in Veras Antlitz hinterlassen haben.

Doch nicht nur Veras Gesicht und die ultrablonden falschen Haare fallen auf. Die Schuhe sind hoch, die Kleider meist pelzig, in Rot sieht sie sich gerne. Für Selfies hat Vera eine Pose einstudiert, allzu oft braucht sie sie nicht. Es ist keine Fassade, hinter der es etwas zu entdecken gibt, Veras extrovertiertes Äußeres ist ebenso stimmig wie ihre Offenheit, ihre Hilfsbereitschaft und Liebenswürdigkeit.

Das Urteil anderer sei nie wichtig, erklärt sie dem kleinen Manuel, der von Veras Chauffeur angefahren und verletzt worden ist. Nicht nur finanziell steht sie dem Kind, dessen allein erziehendem Vater und Oma fortan zur Seite, wirkt wie ein Sonderposten im ärmlichen Viertel von Rom.

„Vera“ erzählt von einer Frau, die ihren Vater verehrt, mit ihrer Herkunft aber auch hadert. Doch viel mehr scheint ihr im „realen Leben“, abseits von Filmpremieren und Luxusläden, ihr unabdingbares Vertrauen Probleme zu bereiten. Wer vertraut, kann auch betrogen werden. Das trifft sie ins Herz. Das sensible Porträt steht und fällt mit der Hauptprotagonistin.

Vera Gemma zeigt sich einnehmend als verletzliche Person mit großen Sehnsüchten und wenigen Berührungsängsten. Jede Begegnung lebt von ihrer Uneingenommenheit, die sie ihrerseits häufig nicht erfährt. In einer Szene trifft sie Dario Argentos Tochter, die beiden betrachten das Grab von Goethes Sohn. Was wird von Vera bleiben? Ein Cowboyhut und die Inschrift „Giulianos Gemmas Tochter“?

Von Mariella Moshammer

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