Innsbrucker Festwochen: „Alte Musik“ ohne Effekthascherei

Neue Doppelspitze bei den Innsbrucker Festwochen © APA/MARKUS STEGMAYR

Die neue Doppelspitze der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, bestehend aus Ottavio Dantone als Musikalischem Leiter und Eva-Maria Sens als Künstlerischer Direktorin, hat sich für einen künstlerischen Zugang zu Alter Musik jenseits von Effekthascherei und „Show“ ausgesprochen. „Zu oft wird in der Barockmusik nur auf den Effekt abgezielt, aber auf die wahre Bedeutung und die Schönheit dieser Musik vergessen“, erklärte Dantone seine Programmatik im APA-Interview.

Es sei nämlich relativ einfach als Musiker, „diese Musik und deren Mittel zu imitieren“, sagte der Italiener, der gemeinsam mit Sens die erste Spielsaison nach der 14-jährigen Intendanz von Alessandro De Marchi bestreitet. Vielmehr gehe es aber darum, „aufrichtig und ehrlich mit dem Publikum zu kommunizieren“ und damit „tiefe, dramatische und emotionale Momente“ zu erschaffen. Nur dann gelinge es „die Aufmerksamkeit des Publikums wirklich dauerhaft zu gewinnen“, strich der Barockmusiker heraus.

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Diesbezüglich wolle man auch durchaus an einer bekannten Festwochentradition festhalten. „Wenn die richtigen Emotionen passend kommuniziert werden, dann ist die Länge einer Oper nicht wirklich entscheidend“, so Dantone auch hinsichtlich der Tatsache, dass unter De Marchi zum Teil sehr lange Opernaufführungen Usus gewesen waren. Wenn man mit den angemessenen Stilmitteln und hoher Musikalität das Publikum „fange“ und die „passende Balance von unterschiedlichen Momenten“ gelingen, dann wolle das Publikum auch lange zuschauen und zuhören „wie bei einem spannenden Film“, zeigte er sich sicher.

Auch an einer weiteren Festwochentradition möchte Dantone anschließen: „Ich schätze es sehr, dass De Marchi viele unbekannte Komponisten und Opern auf die Bühne gebracht hat.“ Selbst wolle er ebenfalls „noch viele unbekannte Meisterwerke entdecken“ und zur Aufführung bringen sowie die unter dem langjährigen Intendanten etablierte „maximale Qualität“ erhalten.

Neben Kontinuität soll aber auch Neuland betreten werden, sagte Sens. „Ottavio hat von uns ja quasi eine ‚Carte blanche‘ bekommen und kann damit die Opern und die Konzerte machen, die er machen möchte“, betonte sie. So sei etwa das Format „Ottavio plus“ eigens für ihn geschaffen worden, bei dem Dantone mit anderen Musiker kammermusikalisch zusammenspielt. Zudem wolle man gemeinsam den Begriff „Alte Musik“ noch mehr „dehnen“ als bisher und ihn immer wieder „neu thematisieren“.

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In einer Art „Ping-Pong-Spiel“ zwischen ihr und Dantone sei es das Ziel „den bei den Festwochen bereits vorhandenen Safe Space für Alte Musik zu bewahren“, führte Sens aus. In diesem hätten Traditionen ebenso Platz wie Innovationen. Man wolle zugleich „sowohl neu entdecken als auch an Bewährtes anknüpfen“ und damit auch dem Publikum einen „Safe Space“ für den bestmöglichen Kunstgenuss bieten. „Es macht etwas mit einem, wenn man sich ganz ohne Ablenkungen auf eine Oper von Beginn bis zum Schluss einlassen kann“, so Sens.

Eines wolle man jedenfalls unter Beweis stellen, betonten beide unisono: „Barockmusik ist absolut aktuell.“ Das sei auch deshalb so, weil sie dazu anrege „die eigene Vorstellungskraft zu benutzen“ und ein wunderbarer Kontrast zu dem „hohen Tempo der Gegenwart“ sei, erläuterte Sens. Damit das möglich werde, müsse ein Festival wie die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik ein „Laboratorium der Musik“ sein, bei dem das Streben nach Schönheit an erster Stelle stehe.

Von dieser Programmatik kann sich das Publikum in der 48. Auflage des Festivals vom 21. Juli bis 30. August in der Praxis überzeugen. Unter dem Motto „Woher kommen wir und wohin gehen wir?“ werden beispielsweise die Opern „Cesare“ von Geminiano Giacomelli oder „Dido“ von Christoph Graupner aufgeführt.

(Das Gespräch führte Markus Stegmayr/APA)

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