Der Applaus für den neuen Burgtheaterdirektor Stefan Bachmann fiel freundlich, aber nicht euphorisch aus. Am Samstag hatte seine als Koproduktion des Schauspiel Köln mit dem Düsseldorfer Schauspielhaus entstandene und nun nach Wien übernommene Dramatisierung des Rainald Goetz-Romans „Johann Holtrop“ Premiere. Am Ende verbeugte sich auch der Autor, stellte sich aber auch die Frage, was an der 2023 mit dem „Faust“-Theaterpreis ausgezeichneten Arbeit so preiswürdig gewesen war.
Bachmanns Inszenierung sei „Sog, Komposition und Theaterzauber! Sie ist unbequem und unterhaltsam, herausfordernd und mitreißend“, urteilte die deutsche Jury. Dem wollten sich nicht alle Wiener Zuschauer im Burgtheater anschließen. Manche Abgänge waren während der Vorstellung zu verzeichnen, und die Umsetzung des 2012 erschienenen Romans über Aufstieg und Fall eines Managers als von einer vierköpfigen Live-Kapelle begleitete, gestenreiche, textlastige, aber handlungsarme Choreographie eines achtköpfigen Ensembles hatte in der zwei Stunden und 15 Minuten dauernden Vorstellung durchaus ihre Längen.
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Olaf Altmann hatte die Bühne mit einem Dickicht aus senkrecht installierten Gummibändern versehen – das Bild eines Käfigs, das Beschränkungen und Möglichkeiten gleichermaßen darstellt: Wer Macht hat – und Johann Holtrop, dargestellt von Melanie Kretschmann, der Gattin des Intendanten, hat sie -, schnappt sich die Fäden und verbiegt sie nach Lust und Laune. Die Welt kann zurechtgebogen werden.
Was als Schlüsselroman über den deutschen Medienmanager Thomas Middelhoff interpretiert und 2012 bei der Viennale von Rainald Goetz persönlich in Wien vorgestellt wurde, wirkt heute allerdings ein wenig antiquiert. Holtrops Geschichte reicht von 2001 bis 2010. Bilanziert wird in D-Mark, hofiert wird Bundeskanzler Gerhard Schröder, und den DAX treiben Dinge in die Höhe und die Tiefe, die schon lange passé sind. Natürlich lassen sich am Ego-Trip Holtrops, der zwischendurch in der Psychiatrie landet und am Ende unter einen Zug kommt, allgemeingültige Aufstiegsmechanismen und die Gefahren menschlicher Hybris ablesen – aber die Geschichte René Benkos hätte man im Zweifel dann doch lieber anhand dessen eigener Biografie (und der Darstellung seiner politischen Förderer) gesehen.
So bekommt man immerhin eine Ahnung, wie die Kölner Verstärkung des Burgtheater-Ensembles aussehen wird. Das stimmt durchaus positiv. Als Regisseur ist Stefan Bachmann in Wien ja kein Unbekannter. Und deswegen kann man es auch sagen: „Johann Holtrop“ zählt nicht zu seinen allerbesten Arbeiten, „Faust“ hin oder her.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
„Johann Holtrop – Abriss der Gesellschaft“ nach dem Roman von Rainald Goetz, in einer Fassung von Stefan Bachmann & Lea Goebel, Österreichische Erstaufführung am Burgtheater, Koproduktion des Schauspiel Köln mit dem Düsseldorfer Schauspielhaus. Regie: Stefan Bachmann, Bühnenbild: Olaf Altmann, Kostüme: Jana Findeklee, Joki Tewes, Komposition und Musikalische Einrichtung: Sven Kaiser, Choreographie und Körperarbeit: Sabina Perry. Mit Nicola Gründel, Melanie Kretschmann, Anja Lais, Rebecca Lindauer, Lea Ruckpaul, Cennet Rüya Voß, Luana Velis, Ines Marie Westernströer. Nächste Vorstellungen: 8.9., 19.10., burgtheater.at