Kein Bruckner, aber viele Frauen

Brucknerfest 2023 widmet sich dem Schaffen von Komponistinnen

Cellistin Julia Hagen
Cellistin Julia Hagen © Julia Wesely

Einen mutigen und wohl auch ein wenig riskanten Weg beschreitet das Internationale Brucknerfest im kommenden Jahr: Die Programmgestalter verzichten bei der 49. Ausgabe von 4. September bis 11. Oktober 2023 zum allerersten Mal völlig auf Werke seines großen Namensgebers, dafür richten sie bei rund 30 Veranstaltungen den Fokus auf Schaffen, das oft noch viel zu sehr im Verborgenen seiner Entdeckung harrt: Unter dem Titel „Aufbruch. Das ewig Weibliche zieht uns hinan“ widmet man sich Komponistinnen aus aller Welt und verschiedenen Epochen. Als Interpreten gesellen sich aufstrebende junge Sängerinnen und Musikerinnen dazu, darunter die Dirigentin Glass Marciano, aber auch bekannte Namen wie die Pianistin Lise de la Salle oder Cellistin Julia Hagen und männliche Kollegen wie der Pianist Yefim Bronfman oder der Cembalospieler Mahan Esfahani.

Zu Unrecht vergessene Künstlerinnen

„Kultur leistet einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft“, so Raiffeisen OÖ-Generaldirektor Heinrich Schaller bei der Programmpressekonferenz. Einen „ordentlichen Tabubruch“ konstatierte der Linzer Bürgermeister Klaus Luger, den er gleichzeitig als „hervorragenden Zugang“ lobte, indem man Unkonventionelles wage. Im Hinblick auf das Brucknerjahr 2024 schlage man damit bewusst Gegentöne an. „Komponistinnen wurden lange unterdrückt, aber es gab und gibt sie, die Schöpferinnen wunderbarer Kunstwerke“, betonte Brucknerhaus-Intendant Dietmar Kerschbaum.

Die meisten der präsentierten Werke waren noch nie im Brucknerhaus zu hören. Von Emily Mayer, die zu Lebzeiten als „weiblicher Beethoven“ gefeiert wurde, etwa wird beim Brucknerfest 2023 die 1. Sinfonie von der Wiener Orchester Akademie unter Martin Haselböck dargeboten. Der kroatischen Komponistin Dora Pejacevic widmet sich das Bruckner Orchester unter Markus Poschner mit einer ihrer Sinfonien ebenso wie der schwarzen US-Amerikanerin Florence Price. Mit dem künstlerischen Schaffen ging auch oft der Einsatz für die Rechte des eigenen Geschlechtes einher: So war es etwa bei US-Amerikanerin Amy Beach, von der die Prager Symphoniker unter Eugene Tzigane ihre Sinfonie e-Moll darbieten werden. Beim Abschlusskonzert in St. Florian erklingt die Messe in D-Dur der Britin Ethel Smyth, gespielt vom Bruckner Orchester unter der jungen Dirigentin Han-Na Chang. Zu den wenigen bekannten Namen gehört Clara Schumann, mit deren Liedern US-Pianist Kit Armstrong einen Abend bestreiten wird.

Nicht nur Musik von, sondern auch für Frauen ist Thema. Heinz Ferlesch, sein Chor Ad Libitum und das Orignalklangensemble Barucco laden zu „Cäcilienmusik“ von Händel in Bearbeitungen von Mozart. Die in Linz geborene Schauspielerin Sophie Rois begibt sich mit dem Pianisten David Kadouch und Werken u.a. von Chopin und Liszt auf die Spuren von Flauberts „Madame Bovary“. Mitra Kotte bestreitet ein Klavierkonzert, Pianist Helmut Deutsch und die Sopranistin Nikola Hillebrand bilden ein Bühnenpaar für „Frauenlieder- und -leben“. Die Klassische Klangwolke (16. September) präsentiert die Oboistin Xenia Löffler als Solistin, es spielt die Akademie für Alte Musik Berlin, zu hören sind von Frauen inspirierte Werke. Jazz hat dieses Jahr mit dem sonic.art Saxophonquartett und der Jazz-Trompeterin Andrea Motis Platz im Programm.

In den letzten fünf Jahren beleuchtete das Brucknerfest Anton Bruckner von allen Seiten und erreichte damit etwa 2022 eine Auslastung von 85 Prozent. Bleibt nur zu hoffen, dass dieser Mut, das „Ausatmen vor Bruckner“, wie Kerschbaum es nennt, auch vom Publikum — das jetzt schon häufig ausgeblieben ist, wenn das Brucknerhaus auf Raritäten gesetzt hat — belohnt wird.

Von Melanie Wagenhofer

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