Klassik und Können versus KI und Kitsch

Konzert zum 80. Geburtstag: Dennis Russel Davies und Gattin Maki Namekava am Klavier

Seinen 80. Geburtstag feierte Dennis Russel Davies, von 2002 bis 2017 Opernchef und Chefdirigent des Bruckner Orchesters, im AEC. Zusammen mit seiner Gattin Maki Namekawa bestritt er am Sonntag zwei Aufführungen eines Klavierkonzerts, die „Cori O´Lan“ mit „Pianografiques“ auf dem 8K Screen des Deep Space visualisierte.

Das Programm startet mit Smetanas „Ma Vlast“, Referenz an seine aktuelle Wirkungsstätte in Tschechien (Davies leitet seit 2018 die Filharmonie Brno). Im Finale erweist das Duo mit Klavierarien aus der „Zauberflöte“ auch Österreich die Ehre. Der Hauptteil des 90-minütigen Konzertes aber gehört den lebenslänglichen Gefährten des Maestro, Freunden wie Philip Glass, Laurie Anderson, Arvo Pärt und John Cage, die mit ihm bereits musizierten, als er noch nicht berühmt war.

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Die Pioniere der computergenerierten Grafik, Davies und das AEC lassen am Sonntag zu Smetanas „Moldau“ Ritter wie Schlösser, Kathedralen oder ganze Städte im allgegenwärtigen Fluss versinken.

Ergreifend weich, ohne jegliche Sentimentalität fließen die Klänge durch Maki Namekawa. Die Hingabe steht ihr im Gesicht. Sie ist es, die sich treiben lässt wie eine Nussschale auf der Moldau. Jede Nuance findet ihren Ausdruck.

Der Kontrast könnte nicht stärker sein. Am Klavier interpretieren vierhändig Künstler mit personifizierter Leidenschaft das fast zum Gassenhauer gewordene Musikwerk. Daneben zwingt eine KI die gesamte menschliche Kultur in Datenstrukturen und Algorithmen, und generiert aus dem Zusammenspiel von unendlicher Datenmenge und unsterblicher Musik simpel anmutende Comics.

Arvo Pärts lange Töne vertiefen sich in den Pausen. Die Grafik reagiert auf jeden Anschlag, auf jeden Nachhall, wirbelt in mathematischen Mustern und läuft in ihrer Monumentalität der Musik den Rang ab.

Eine rote Linie tanzt zu Philip Glass´ Etüde Nr. 20.  Es kreist die ganze Welt zur „Elegie for the Present“, randvoll mit aufgelegten Assoziationen.

Dennis Russel Davies, nicht nur Virtuose der Tasten, sondern auch Herr der musikalischen Empfindungen, wird als Solist überblendet von japanisch anmutenden Kalligrafien, dem Sinnbild für ästhetische Konzentration.

Eine alternative Opernbühne hingegen finden die Visualisierungen zur „Zauberflöte“. Groteske Vögel und eine zur Statue erstarrte Königin der Nacht schwirren fern aller Schwerkraft als ausgerechnete Stars einer witzig choreografierten Inszenierung.

Davies, einst selbst am Elisabethinenspital behandelt und geheilt von Lymphdrüsenkrebs, spendet den Erlös beider Konzerte der dortigen Hodgkin-Krebsforschung. Das sichtlich beeindruckte Publikum dankte herzlich.

Von Eva Hammer 

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