Klimt-Gemälde geht um 35 Mio Euro nach Hongkong

Großer Andrang, aber wenige Gebote im Kinsky © APA/EVA MANHART

Gustav Klimts unvollendet gebliebenes Spätwerk „Bildnis Fräulein Lieser“, das jahrzehntelang verborgen in österreichischem Privatbesitz war, ist am Mittwochnachmittag im Wiener Auktionshaus im Kinsky als Abschluss und Höhepunkt eines „Gustav Klimt Sale“ um 30 Mio Euro, dem untersten Schätzwert, zugeschlagen worden. Der Kaufpreis inklusive Aufgeld beträgt laut im Kinsky 35 Mio. Euro. Das Bild geht in eine Privatsammlung nach Hongkong, in Rosaline Wongs HomeArt.

Geschäftsführer Michael Kovacek hatte als Auktionator bei 28 Millionen Euro begonnen, bekam aber insgesamt nur drei Gebote. „Es gibt eben Auktionen, wo es nicht am Schnürchen läuft. Aber ich bin sehr froh, dass wir es verkaufen konnten“, sagte er danach der APA. Den Zuschlag erhielt eine Bieterin im Saal, die, wie im Kinsky-Geschäftsführer Ernst Ploil der APA bestätigte, für die Hongkonger Sammlung geboten hat, in der sich noch weitere Klimt-Gemälde befinden sollen.

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Bei den im Kinsky-Geschäftsführern hielt sich danach Freude und Enttäuschung die Waage. Immerhin wurde der bisherige Rekord für das Auktionshaus bei weitem übertroffen und auch mit großem Abstand ein neuer Auktionsrekord für Österreich erzielt. Bisher war das Gemälde „Der Mensch, der sich zwischen Tugenden und Lastern entscheiden muss“ von Frans Francken II. das teuerste je in Österreich versteigerte Bild. Es wurde 2010 im Dorotheum um 7,022.300 Euro verkauft.

Und doch hatte man sich mehr erwartet: Der Schätzpreis hatte 30 bis 50 Millionen Euro betragen, ein Erlös von bis zu 70 Mio. Euro war im Vorfeld für denkbar gehalten worden. „Man kann dieses Bild nicht günstiger anbieten – das ist der Wert“, meinte Kovacek. „Aber die wirtschaftliche Situation weltweit ist nicht ganz rosig. Das hat vielleicht mit eine Rolle gespielt.“

„Bei mir überwiegt das weinende Auge, denn wir sind an der unteren Grenze der Schätzung geblieben. Damit kann man nicht zufrieden sein“, sagte Ploil. Er wies im APA-Interview darauf hin, dass vier sichere Interessenten sich erst ganz kurz vor der Auktion zurückgezogen hätten – und führte dies auf Medienberichte zurück, die etwa eine weitere Beforschung der Provenienz angeregt hatten. Zuletzt hatte via „Süddeutsche Zeitung“ auch ein Mann aus München Erbansprüche angemeldet. „Ganz allgemein ist das Bild durch diese Geschichten nicht besser gemacht worden. All’ das kann in einem derart sensiblen Markt den Unterschied machen. Auch ein sehr reicher Käufer will sich keine Zores einhandeln.“

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Das 140 mal 80 cm große unsignierte Bild „Fräulein Lieser“, das aus 1917 und somit aus dem Spätwerk des weltberühmten Künstlers stammt, wurde einem internationalen Publikum etwa in London, Zürich und Hongkong präsentiert. Beauftragt wurde das Gemälde von einem Mitglied der jüdischen Industriellenfamilie Lieser. Nicht vollständig gesichert ist, ob es sich bei der in offenbar neun Sitzungen Porträtierten um Helene oder Annie Lieser, eine der beiden Töchter der Kunstmäzenin Henriette Lieser, oder um ihre Nichte Margarethe Constance Lieser, Tochter von Adolf Lieser, handelt.

Die jetzigen Besitzer hätten es vor etwa zwei Jahren von entfernten Verwandten geerbt, davor war es wiederum über mehrere Generationen vererbt worden, hieß es seitens des Auktionshauses. Öffentlich gezeigt wurde das Porträt einer jungen Frau in strenger frontaler Haltung vor rotem Hintergrund, wobei um ihre Schultern ein mit reichlich Blumendekor ausgestatteter Schal liegt, vermutlich 1925 bei einer Wiener Kunstausstellung. Zwischen 1925 und den 1960ern-Jahren ist sein genaues Schicksal ungeklärt – und damit auch der Verbleib während der Naziherrschaft. Infolge der Lücken in der Provenienz des Bildes soll der Erlös auf Basis einer Vereinbarung nach den sogenannten „Washington Principles“ unter mehreren möglichen Rechtsnachfolgern aufgeteilt werden. Eine Ausfuhrgenehmigung seitens des Bundesdenkmalamtes wurde bereits vorab erteilt.

Bilder des weltberühmten Künstlers (1862-1918) sorgten in den vergangenen Jahren immer wieder für Rekorde. Klimts Gemälde „Dame mit Fächer“ erzielte im Juni 2023 bei einer Auktion von Sotheby’s in London mit 74 Mio. Pfund Hammerpreis respektive 85,305 Mio. Pfund (rund 99,33 Mio. Euro) inklusive Aufschlägen den bis dato höchsten Preis für ein in Europa versteigertes Kunstwerk.

Den Versteigerungsrekord für Klimt hält das aus der umfangreichen Kollektion des 2018 gestorbenen Microsoft-Mitbegründers Paul Allen stammende Gemälde „Buchenwald“ (Birkenwald), das im November 2022 bei Christie’s in New York für 105 Millionen Dollar (104,6 Mio. Euro) zugeschlagen wurde. Es ist eines der fünf Gemälde, um die die Republik Österreich einen langen Restitutionsstreit gegen die Erben der Familie Bloch-Bauer geführt hatte und das 2006 an die Erben um Maria Altmann restituiert wurde. Unter ihnen war auch das Porträt „Adele Bloch-Bauer I“, die „Goldene Adele“, die zu einem Preis von 135 Mio. Dollar als damals weltweit teuerstes Gemälde außerhalb einer Versteigerung an Ronald Lauder ging. Das Porträt „Adele Bloch-Bauer II“ wurde 2006 von US-Medienstar Oprah Winfrey bei Christie’s in New York für 87,9 Mio. Dollar ersteigert und über zehn Jahre später um 150 Mio. Dollar an einen chinesischen Sammler weiterverkauft.

15.000 Interessierte hatte das Auktionshaus in den vergangenen neun Tagen begrüßen dürfen, hatte Geschäftsführer Michael Kovacek eingangs erklärt. Deshalb ist das Klimt-Bild in der kommenden Woche noch einmal für vier Tage (Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag) jeweils von 10 bis 17 Uhr zu sehen. Danach könnte es, so Ploil, noch weitere drei Monate im Belvedere ausgestellt werden, ehe es endgültig an seine neuen Besitzer geht.

Man sollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, meinte Claudia Mörth-Gasser, zuständige Expertin des Auktionshauses, und rühmte gegenüber der APA die ästhetische Qualität des Gemäldes: „Ich glaube, dieses Bild zeigt die ungeheure Modernität Klimts am Ende seines Lebens – alleine die unglaubliche gestische Freiheit, die abstrakte Qualität und Farbkraft des Hintergrunds. Es ist atemberaubend schön, dieses Bild!“

Einige der 19 Lose, darunter eine Studie für „Fräulein Lieser“, blieben unverkauft. Deutlich über den Erwartungen wurde lediglich ein stehender Mädchenakt Klimts verkauft, der seinen obersten Schätzpreis von 120.000 Euro um 25.000 Euro übertraf. Zwei Schiele-Aquarelle gingen um 600.000 bzw. 750.000 Euro weg.

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