Kulturhauptstadt SKG 2024: Lentos zeigt, wie Kunst der NS-Zeit trotzte

Kuratorin und Vize-Direktorin Elisabeth Nowak-Thaller vor einem 2012 restituierten Bild (ãMŠdchen mit NussbkorbÒ/Anton Romako) aus der Sammlung Wolfgang Gurlitt in der neuen Ausstellung ãDie Reise der BilderÒ im Kunstmuseum Lentos in Linz. © APA/Ulrike Innthaler

„Die Reise der Bilder“ ist der Beitrag des Linzer Kunstmuseums Lentos zur Europäischen Kulturhauptstadt Bad Ischl – Salzkammergut 2024 und zeichnet den Weg der Bilder, die während des Zweiten Weltkriegs im Salzkammergut gelagert wurden, nach. Darunter waren geraubte, enteignete, gekaufte, auch von Wiener Museen in Sicherheit gebrachte Arbeiten.

Rund 80 Werke werden ab 20. März im Lentos zu sehen sein, und jedes hat eine eigene Geschichte. Die Schau widmet sich mehreren Kunstdepots, darunter jenem im Salzbergwerk Altaussee, in dem die geraubten, aus ganz Europa zusammengetragenen Kunstwerke untergebracht waren, mit denen Hitlers „Führermuseum“ in Linz bestückt werden sollte; dann dem Franz-Josef-Erbstollen in Lauffen bei Bad Ischl, wo das Bundesdenkmalamt Werke der Wiener Museen wie dem Belvedere und dem Kunsthistorischen Museum – nach vorherigen Stationen u.a. in der Kartause in Gaming in Niederösterreich – vor Zerstörung zu schützen versuchte. Daneben gab es laut Ausstellungskuratorin Elisabeth Nowak-Thaller etliche provisorische Notdepots in Gaststätten im Salzkammergut.

Für Lentos-Vizedirektorin Elisabeth Nowak-Thaller ist die Reise der Bilder eine Weiterführung der Schau „Wolfgang Gurlitt – Zauberprinz“ aus dem Jahr 2019 über den Gründer der Neuen Galerie der Stadt Linz, das heutige Lentos, dessen Wahlheimat ab 1940 Bad Aussee war. Gleich anschließend entstand die Idee zur aktuellen Ausstellung „in Bad Aussee mit Veranstalter und Kulturaktivist Hans Fuchs in einem Brainstorming zu Raubkunst, Arisierungen, Einlagerungen. Dann habe ich das Konzept, gleich nachdem Bad Ischl den Zuschlag bekam, eingereicht – und dann begann die lange Zeit des Wartens“ – bis schließlich 2022 die Zusage kam. Korrespondierend zur gemeinsam mit der Expertin für NS-Kunstpolitik, Birgit Schwarz, kuratierten Ausstellung im Lentos – seit 1998 beschäftigt man sich mit Provenienzforschung und restituierte seither 13 Gemälde – konzipierte die Kunsthistorikerin auch eine Schau zu Wolfgang Gurlitt in Bad Aussee und Lentos-Direktorin Hemma Schmutz mit Gastkurator Markus Proschek eine zum Thema Raubkunst in Lauffen.

Vom teuren Klimt nur der Rahmen

Im Lentos widmet man sich unter anderem dem besonders aufsehenerregenden Restitutionsfall „Bildnis Ria Munk“ von Gustav Klimt, das 2009 den Erben zurückgegeben wurde. „Die Originale bekommen wir hier leider nicht, oder sie sind unleistbar. Auch befinden sie sich zum Großteil in Amerika.“ Dafür ist der Originalrahmen des Bildnisses zu sehen, wie die Kunsthistorikerin schmunzelnd verriet.

Neu Entdecktes

Der erste Raum in der permanenten Sammlungspräsentation des Lentos wurde für die neue Sonderausstellung erweitert und widmet sich dem Thema der Museumsgründung durch Wolfgang Gurlitt und zugleich auch den Restitutionen. „Auch zwei neue Beispiele, ein neu entdecktes Bild von Eric Isenburger, der in engem Kontakt mit Gurlitt stand, und ein Bild, das sich in der Sammlung Würzburg befindet, das auch bezüglich Restitution angefragt ist, werden wir thematisieren“, erklärte Nowak-Thaller.

Zurückhaltende Leihgeber

Es sei nicht einfach gewesen, Stücke für die Ausstellung zu bekommen. Die Leihgeber hätten große Zurückhaltung an den Tag gelegt, einmal aufgrund des sensiblen Themas, aber auch aus konservatorischen Gründen wegen des Zustands der alten Meisterwerke. „Es gibt für diese Bilder allesamt Immunitätsbescheinigungen des Landes Oberösterreich, damit sie sozusagen nicht hier vor Ort beschlagnahmt werden“, beschrieb die Kuratorin den Aufwand, der speziell für die deutschen und französischen Leihgaben groß gewesen sei. Denn die Bilder gehören oft nicht den Museen, sondern der Kulturverwaltung des Bundes, und damit bekommt das Unterfangen eine politische Dimension. Außerdem heiße eine gut erforschte Herkunft „ja nicht, dass das Werk deshalb vor einer Rückgabe gefeit ist. Irgendwo fehlen oft einmal Quellen oder Nachweise, und einige dieser Werke sind durchaus nicht über den Verdacht der Raubkunst erhaben.“

Erstmals wieder in Österreich

Besonders freut die Provenienzforscherin die Zusage für zwei Werke aus Frankreich. Denn die nach dem Zweiten Weltkrieg von einer Sammelstelle der amerikanischen und englischen Besatzungsmächte retournierten Bilder sind seit 1949 per Gesetz für die Verleihung ins Ausland gesperrt. Zusagen werden im Ausnahmefall auf politischer Ebene entschieden. Umso größer die Freude, dass Hans Makarts „Die Geige von Johann Strauß“ erstmals wieder in Österreich zu sehen sein wird.

Zeitgenössischer Kontrapunkt

Bei all den weit gereisten Gemälden und der notwendigerweise etwas textlastigeren Ausstellung wollte Nowak-Thaller einen zeitgenössischen Kontrapunkt setzen. Und so nimmt die Installation „Ruinenwert“ von „Shootingstar“ Henrike Naumann mit Möbeln aus der NS-Zeit und den 1990er-Jahren die Mitte des großen Raumes im ersten Stock ein.

„Die Reise der Bilder“ wird die letzte Schau sein, die die 64-Jährige als Vizedirektorin für das Lentos kuratiert. Denn im Herbst tritt sie – nach 38 Jahren zuerst in der Neuen Galerie, dann im Lentos – ihre Pension an, um sich der dem Kunstmuseum überlassenen Sammlung Hauser zu widmen und eine Ausstellung und einen Katalog vorzubereiten – „das ist es wohl, was man Unruhestand nennt“, bemerkte die durch und durch Kunstbegeisterte lächelnd.

Für „die Reise der Bilder“ wünscht sie sich in einer Zeit, in der wir täglich von Krieg in der Ukraine, in Syrien, in Israel und Palästina hören, dass Besucherinnen und Besucher mit einem positiven Gedanken aus der Ausstellung gehen, „dass es auch Hoffnung gibt, dass Kunstwerke unbeschadet solchen Wahnsinn überleben können. Und das ist etwas, woran man vielleicht nicht denkt, wenn man an Krieg denkt.“ Im Zweiten Weltkrieg habe es in der Kunstwelt „weltweit ganz große Verluste gegeben. Und in diesem Fall im Salzkammergut konnte wirklich massiv Kunst gerettet werden. Das sehe ich als schönen Schlusssatz, trotz aller Gräueltaten.“

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