Kulturhauptstadt SKG 2024: Zwei neue Bücher zur NS-Vergangenheit

Ein „Handbuch mit Faltplan“ und ein „Reiseführer durch die braune Topografie“ führen zu NS-belasteten Schauplätzen im Salzkammergut

Zwei neue Bücher widmen sich im Jahr der Europäischen Kulturhauptstadt 2024 in Bad Ischl und dem Salzkammergut der braunen Vergangenheit der Region. Beide Publikationen laden zur Auseinandersetzung mit NS-belasteten Schauplätzen und zu deren Besuch ein. Vielerorts hat nach dem Krieg ein Verdrängen und Verschweigen stattgefunden, sind sich die Autoren einig. Nicht nur, aber besonders im Salzkammergut, wo die Zeit der NS-Herrschaft mit schönen Bildern überblendet worden ist.

Blinde Flecken

„Die ländliche Postkarten-Idylle weist auch blinde Flecken auf“, sagt der Salzburger Journalist Thomas Neuhold. Sein „Salzkammergut – Orte der Erinnerung“ (Verlag Anton Pustet, 90 S., 20 Euro) präsentiert kurz und kompakt 30 Schauplätze und spannt einen zeitlichen Bogen, der über die Jahre 1938 bis 1945 hinausgeht. Die historische Klammer beginnt mit der Kaiservilla in Bad Ischl, wo Franz Josef 1914 die Kriegserklärung an Serbien unterzeichnet hat und endet mit dem Denkmal in Ebensee, das an den Sprengstoffanschlag italienischer Neofaschisten erinnert, bei dem 1963 ein Polizist starb und zwei weitere schwer verletzt wurden.

Lesen Sie auch

Widerstandsort und Fluchtroute

Die Publikation ist als Handbuch mit einem herausnehmbaren Faltplan konzipiert, um auch einige der weniger geläufigen oder teils vergessenen Schauplätze sichtbar zu machen und verorten zu können. Die Auswahl der jeweils auf einer Doppelseite beschriebenen „Erinnerungsorte“ macht deutlich, wie stark die NS-Zeit im Salzkammergut von Gegensätzen geprägt war. Das Tote Gebirge war Zufluchtsort für den politischen Widerstand, zugleich aber Fluchtroute für hohe Nationalsozialisten wie Ernst Kaltenbrunner oder Adolf Eichmann. Zwangsarbeiterlager fanden sich in der Region genauso wie Sommerresidenzen von NS-Größen. „Es ging mir mit dem Buch nicht darum, mit dem erhobenen Zeigefinger die alte Binse vom Lernen aus der Geschichte zu strapazieren, aber einige Orte neu zu beleuchten“, betont Neuhold.

Einer der letzten Kampfplätze des „Dritten Reiches“

Die drei Autoren des zweiten Buches, Gerald Lehner, Christian Strasser und Susanne Rolinek, haben in der Vergangenheit schon „Reiseführer durch die braune Topografie“  für Salzburg, Oberösterreich und Wien vorgelegt. Daran schließt nun ihr „Im Schatten von Hitlers Alpenfestung“ (Czernin Verlag, 300 Seiten, 25 Euro) für das Salzkammergut an. Die Region war in der Zeit des Nationalsozialismus Brennpunkt vieler Gegensätze, thematisiert auch dieses Autorentrio. „Arisierungen“, Kunstraub, Mütter- und Flüchtlingsheime existierten hier neben erbittertem Widerstand gegen Hitler. Im Jahr 1945 war die Region einer der letzten Kampfplätze des „Dritten Reiches“.

In Hitlers berüchtigter „Alpenfestung“ wurden geraubte Kunstwerke gelagert, die vor dem Bombenkrieg geschützt und in den letzten Tagen vor der Befreiung auf Befehl des Nazi-Regimes vernichtet werden sollten. In der Nachkriegszeit überdeckten Wirtschaftswunder und Massentourismus die vielen Wunden der Region. Gerade wenn durch die Kulturhauptstadt 2024 internationales Publikum auf Bad Ischl und die Umgebung blicke, „dürfen die historischen Verstrickungen und nationalsozialistischen Verbrechen nicht unerwähnt bleiben, denn sie wirken bis heute nach“, schreiben die Autoren.

Der Reiseführer beinhaltet Ergebnisse neuester Forschungen zur regionalen Zeitgeschichte. Beleuchtet wird auch die Geschichte des nationalsozialistischen Alpinismus in der Dachsteinregion und die bizarre Lebens- und Bestattungsgeschichte des Kletterpioniers und Judenhassers Eduard Pichl, der mit als geistiger Wegbereiter des Holocaust gilt und auf dem Friedhof von Bad Goisern liegt. Ein Kapitel widmet sich der Bergung eines abgestürzten, amerikanischen Thunderbolt-Kampfflugzeuges bei Ebensee.

Das könnte Sie auch interessieren