KZ-Gedenkstollen Ebensee: Kunst an einem sensiblen Ort

Kulturhauptstadt: Arbeit einer japanischen Künstlerin im Berg

KZ-Gedenkstollen Ebensee © APA/Helmut Fohringer

Durch den Wald geht es ein Stück Weg hoch, ehe sich ein riesiges Loch im Berg auftut: einer der Stollen, in dem KZ-Häftlinge im Zweiten Weltkrieg in Ebensee unter schlimmsten Bedingungen schuften mussten, viele ließen ihr Leben. Am 26. April zieht hier im Kulturhauptstadtjahr eine Installation der japanischen Künstlerin Chiharu Shota ein. Die Verantwortlichen gehen äußerst sensibel mit dem besonderen Ort um: Unerwünschte Besucher haben in der Vergangenheit die Ruhe der Gedenkstätte empfindlich gestört.

27.000 männliche Gefangene waren es, die in den 18 Monaten, in denen das Konzentrationslager Ebensee – ein Nebenlager des KZ Mauthausen – ab November 1943 hier bestand, schier Unmenschliches leisten mussten, ehe sie am 6. Mai 1945 von den Alliierten befreit wurden. Wenn sie es überlebt haben: 8600 starben im überfüllten Lager, der Großteil an Hunger, Kälte, harter Arbeit. Nur einigen wenigen gelang es, von hier zu flüchten. „Ziel der Nazis war es, in einer Gegend, die sicher war vor Luftangriffen der Alliierten, unter Tage ein fast acht Kilometer langes System aus 20 Tunneln zu schaffen, um Raketen zu bauen“, erklärt Wolfgang Quatember, der Leiter der Gedenkstätte. Und dass es hier sicher war, dafür garantierten die Berge. „Und das vorhandene Bahnnetz machte das Tötungsprogramm überhaupt erst möglich.“ Zur geplanten unterirdischen Raketenfabrik kam es nicht, am Ende waren 7,6 Kilometer Stollen vorhanden.

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Was geblieben ist

Seit 25 Jahren gibt es in Ebensee das Zeitgeschichte Museum und die Gedenkstätte im Stollen. Besonders viele KZ-Insassen kamen aus Prato, im Zuge der Aufarbeitung entstand eine Städtepartnerschaft von Ebensee mit der Stadt in der Toskana. Geblieben sind auch zwei Massengräber, das Lager wurde nach 1945 zerstört, am selben Ort schon bald Wohnhäuser errichtet. 2011 fanden alle Namen der Opfer auf einer Tafel auf dem Opferfriedhof ihren Platz. „Die Nazis hatten die Namen der KZ-Insassen auf Listen dokumentiert, praktisch alle wurden erfasst, die jüngsten 1931 geboren“, weiß Quatember. Rund 10.000 Besucher verzeichnet die Gedenkstätte im Jahr, vor allem Schulklassen, regelmäßig finden Gedenkfeiern mit Überlebenden und deren Nachkommen statt.

Am Ende des KZ-Gedenkstollens findet ab 26. April das Kulturhauptstadtprojekt „Wo sind wir jetzt?“ der japanischen Künstlerin Chiharu Shota hier Platz. Blutrote Fäden, die von der Decke hängen, durch die man hindurchgehen kann und die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbinden, damit so etwas nie mehr passiert.

Gegen das Vergessen

Schon früher gab es Kulturveranstaltungen im Stollen, etwa das „Fest für Demokratie“ 1995, dem Jahr, in dem Jörg Haider die Dritte Republik ausrufen wollte. Der Brucknerchor trat mit dem Mozartrequiem hier auf. Die holländische Künstlerin Mona Jas hat 2012 einen Sessel mit Stofftaschentüchern platziert und die Besucher angehalten, in die Taschentücher einen Knopf zu machen, wie man es früher getan hat, um sich an bestimmte Dinge zu erinnern.

Man würde sehr genau überlegen, welche Veranstaltungen man noch hier stattfinden lasse, so Quatember. Dazu habe auch ein Ereignis beigetragen, das 2009 international für Aufregung gesorgt hat: Junge Burschen aus Ebensee, aus der Siedlung, wo einst das KZ stand, waren 2009 am Tag der traditionellen Gedenkfeier in Bomberjacken, mit Springerstiefeln und Sturmmützen adjustiert in den Stollen eingedrungen, marschierten auf und ab und stießen Sieg Heil-Rufe aus. Mit Softguns schossen sie sogar auf Besucher. Die Burschen wurden erwischt und verurteilt. Es gebe im Ort Ressentiments gegen die Besucher der Gedenkstätte: „Die Jungen, das sind keine Nazis. Die haben getan, was die Alten ihnen vorgelebt haben“, so Quatember. Seitdem sei es jedoch ruhig gewesen.

Mitten in Ebensee, gleich neben der Kirche, das Zeitgeschichte-Museum, indem die Geschichte Österreichs von 1918 bis 1955 übersichtlich und mit besonderem Augenmerk auf die regionale Geschichte aufbereitet ist. Wer die Gelegenheit hat, sollte eine Führung mit Wolfgang Quatember machen, der es meisterlich versteht, die Zusammenhänge anschaulich zu erläutern. In Bad Ischl habe es vor dem Zweiten Weltkrieg eine große jüdische Bevölkerungsgruppe gegeben, erzählt er, die Mitglieder mussten die Stadt 1938 verlassen. Auch ein großes Camp für Sinti und Roma habe bestanden, viele davon seien im KZ umgekommen.

Aufarbeitung geht weiter: Neues Buch

Indes geht die Aufarbeitung weiter: Mitarbeiterin Nina Höllinger vom Zeitgeschichte Museum Ebensee hat kürzlich das Buch „Habt ihr meiner vergessen? Das Leben verfolgter jüdischer Familien im Salzkammergut“ (Zeitgeschichte Museum Ebensee, 564 Seiten, 215 Abbildungen, € 29.90) veröffentlicht. Die Arisierungsakten zu Bad Ischl seien zwar aufgearbeitet worden, man habe jedoch noch nie gewusst, wo die Familien hingekommen seien, so Quatember. Höllinger habe sie auf der ganzen Welt, unter anderem in Südamerika aufgespürt.

Von Melanie Wagenhofer 

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