Liebe geht ans Fleisch

Hengls gelungenes Horror-Debüt „Family Dinner“

Verstörendes Familienleben im Nirgendwo: Stefan (Michael Pink), Simone (Nina Katlein), Claudia (Pia Hierzegger) und Filipp (Alexander Sladek) bei der Vorbereitung auf das Osterfest.
Verstörendes Familienleben im Nirgendwo: Stefan (Michael Pink), Simone (Nina Katlein), Claudia (Pia Hierzegger) und Filipp (Alexander Sladek) bei der Vorbereitung auf das Osterfest. © Panda Lichtspiele

Der Zuschauer ahnt im Horror-Thriller „Family Dinner“ schnell, dass es eine fatale Entscheidung von Simone (Nina Katlein) war, über Ostern zu Tante Claudia (Pia Hierzegger) zu fahren.

Die Musik verheißungsvoll für große Tragik, das Haus steht einsam, gedreht wurde rund ums niederösterreichische Horn. Unschmeichelhafte Wörter sind in das Bettgestell von Cousin Filipp (Alexander Sladek) eingeritzt.

Es ist nicht alles so, wie es sein sollte. Doch Simi ist mit einem Wunsch gekommen. Ernährungsexpertin und Köchin Claudia soll der Teenagerin beim Abnehmen helfen. Auf Zustimmung trifft das nicht, über Ostern soll die Nichte nicht bleiben. „Es wäre komisch, wenn du dabei wärst“, zeigt die Tante ihre eiskalte Seite.

Verstörendes Spiel

Simone passt sich an, erzählt ihrer Mutter nichts von der Kränkung, merzt aus, sagt nicht, was sie will. Das gefällt Claudia, sie scheint eine „Schülerin“ gefunden zu haben. Was für einen Plan die Tante für Ostern hat, verrät Regisseur Peter Hengl in seinem Langfilmdebüt lange nicht.

Er lässt den vier hervorragenden Protagonisten in seinem Kammerspiel viel Raum und verstört damit umso mehr. Stefan (Michael Pink) ist vielleicht ein bisschen zu sehr an der Nichte seiner Freundin Claudia interessiert, ihren Sohn behandelt er hart und unnachgiebig. Das Verhältnis zwischen Claudia und Filipp ist das undurchsichtigste. Dem Pubertierenden schneidet sie beim gemeinsamen Essen das Fleisch in mundgerechte Häppchen, „Ich habe dich lieb!“, sagt sie beim Zubettbringen ritualisiert zu ihrem Sohn, und er antwortet: „Ich hab dich auch lieb!“ In Horrorfilmen ist das selten ein gutes Zeichen.

Und stopp! Das „gemeinsame Essen“ ist keines, denn Simi ist zwecks Körperreinigung auf 0-Diät gesetzt, nur noch Filipp wird mit wunderschön in Szene gesetztem Essen gemästet, Liebe geht ans Fleisch. Simis Magen knurrt hörbar, tapfer klammert sie sich an ihr Wasserglas.

Es ist dem Genre geschuldet, an dieser Stelle nicht mehr zu verraten, nur soviel: Es geht um Mutterliebe, ein absurdes Familienidyll, christliche und heidnische Feste, um den Wahn, sich zu reinigen, um perfekt wieder aufzuerstehen, um Esoterik und Glaube, um alle Wahnsinnigkeiten, die sich heute um die Ernährung drehen. Hengl erzählt seine Geschichte sehr stimmig und bedient den Thriller ebenso wie den Gruselfaktor. Brutale Szenen könnten als Werbung für Veganismus durchgehen. Doch, wie gesagt, mehr sei nicht verraten. Vielleicht noch so viel: Was wäre eigentlich mit Gretel passiert, wenn Hänsel sich überfressen hätte?

Von Mariella Moshammer

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