Die Oper „Liebesgesang“ von Georg Friedrich Haas hat Freitagabend in der Regie von Marcos Darbyshire und unter der musikalischen Leitung von Stefan Politzka in der Kammerspielen des Tiroler Landestheaters seine Premiere und Österreichische Erstaufführung gefeiert. In der reduzierten Kammeroper verhandelte ein Ex-Liebespaar im Gesangsdialog das Sein und Vergehen ihrer Beziehung. Die karge Bühne, die räumliche Isolation symbolisierte, unterstrich das intime Geschehen.
Die Oper von Haas – deren Libretto Händl Klaus schrieb – erreichte die maximale Nähe zwischen den beiden Darstellern dabei vor allem mit der Abwesenheit jeglicher Musik und Geräusche abseits des gesanglichen Zwiegesprächs. Erwünscht waren, so hielt es Haas in seinen Aufführungsanweisungen zur Oper sinngemäß fest, lediglich Gesang und Atem der Darsteller. Auch hörbare Trittgeräusche bei Bewegungen der Protagonisten auf der Bühne hätten damit bereits gestört.
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Die Aufführungssituation bei dem Kooperationsprojekt mit den Klangspuren Schwaz darf damit als überaus komplex gelten: Neben diesen herausfordernden Anweisung hatten die beiden Sänger außerdem keinerlei Anhaltspunkte – etwa durch ein Orchester oder ein Dirigat – was Tonalität oder Zeithorizont ihrer Darstellung betraf. Dieses Zurückgeworfensein auf das eigene Empfinden und das Vergehen der Zeit wurde im Werk lediglich durch das präzise Setzen von Licht und Dunkelheit unterstützt.
In diesem Setting mit minimalistischen Bühnenbauten entwickelte sich Schritt für Schritt die Geschichte um den einst renommierten Tierfotografen Christian (Er) und die Architektin Luz (Sie). Sie trafen sich – mutmaßlich in einem Sanatorium – zum letzten Mal. Er war psychisch schwer erkrankt, sie nach wie vor erfolgreiche Geschäftsfrau. Am Ende dieser Begegnung, die in knapp 80 Minuten verhandelt wurde, stand die endgültige Trennung des ehemaligen Paares.
Nicht dieses unweigerliche Ende war aber der Reiz der Aufführung, sondern die Momente der Begegnung, des Sich-Einlassens auf noch mögliche, gemeinsame Räume. Im Haas-Werk waren diese temporären Räume unter anderem die abgründigen Gesangsmelodien, die sich – ganz gespeist von Neuer Musik – wenig um gefällige Nachvollziehbarkeit oder Hörkonventionen kümmerten. Es wurde mit deren Hilfe ausgiebig verhandelt, sinniert und dem vermeintlichen Wahnsinn ausreichend Platz gegeben. Die zerstörte, fragmentierte Sprache von Christian traf hierbei auf die Ratio von Luz, die damit einen musikalisch-gesanglichen Zwischenraum erschufen.
Die enorme Formstrenge der Partitur erlaubte es dem Inhalt präzise zum Vorschein zu kommen: All die Abgründe der vergangenen Beziehungen, wie etwa die von Christian lange vor Luz verheimlichte Erkrankung, kamen damit zur ureigenen Sprache jenseits der naheliegenden Sprachlosigkeit. Mimi Doulton und Benjamin Chamandy, die sich mit Haut, Haaren und Körper in diese Ausnahmesituation warfen, bewältigten die damit verbundenen Anforderungen von Partitur, Libretto und Stoff schauspielerisch und gesanglich meisterhaft.
Verdient holten sich die beiden dann schließlich auch beim heftigen Schlussapplaus ihre Bravo-Rufe ab. Frenetisch beklatscht wurden zudem etwa auch Politzka und Darbyshire.
(Von Markus Stegmayr/APA)
„Liebesgesang“ von Georg Friedrich Haas mit einem Libretto von Händl Klaus. Regie: Marcos Darbyshire. Musikalische Leitung: Stefan Politzka. Bühne, Video und Kostüme: Martin Hickmann. Lichtdesign: Anselm Fischer. Mit: Mimi Doulton (Sie/Luz), Benjamin Chamandy (Er/Christian). Weitere Vorstellungen: 15., 20., 26. und 29. September, 12., 16., und 25. Oktober. landestheater.at