Literaturgigant als Miniserie: David Schalkos „Kafka“

Joel Basman ist „Kafka“ © APA/Superfilm / ORF

Ein Kafka, aber sechs Sichtweisen auf ihn. Das ist das Motto der sechsteiligen ORF/ARD-Miniserie „Kafka“, die am Sonntag und Montag (24. und 25. März) in jeweils drei Folgen auf ORF 1 und ab dann auch in den ORF-Streamingangeboten zu sehen ist. „Für uns war relativ schnell klar, dass wir uns ihm über die Blickwinkel seiner Weggefährten nähern. Dadurch sieht man in jeder Folge einen anderen Kafka“, sagt Regisseur David Schalko.

Schalko hat gemeinsam mit Daniel Kehlmann auch die Drehbücher verfasst und dafür eng mit Kafka-Biografen Reiner Stach zusammengearbeitet. „Wir hatten stets die Sicherheit seiner Biografien, auf denen alles basiert. Da steht ja eigentlich alles drinnen, sehr gut dokumentiert und auch schon sehr szenisch aufbereitet. Uns ging es vor allem darum, das reale Leben Kafkas mit der Literatur zu verbinden. Wie entsteht aus konkreten Ereignissen in einem realen Leben große Literatur?“

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Das wird in sechs 45-minütigen Folgen in sehr unterschiedlichen ästhetischen Ansätzen mit einem hochkarätigen Cast (mit Nicholas Ofczarek, Lars Eidinger, Jan Bülow, Anne Bennent, Maresi Riegner, Christian Friedl, Verena Altenberger u.v.a.) vorgeführt. Der Schweizer Joel Basman spielt Franz Kafka – für Schalko in jeder Hinsicht „ein Glücksfall“, nicht nur wegen „der physiognomischen Ähnlichkeit – die ja gar nicht so unwichtig ist, weil von Kafka weiß jeder, wie er ausgesehen hat“: „Er hat sich auch so lange mit seiner Rolle auseinandergesetzt, dass man am Ende das Gefühl hat, Kafka zu sehen, und nicht einen Schauspieler.“

David Kross ist als Max Brod „unsere emotionale Anbindung an Kafka. Er ist die Brücke, um einen Zugang zu ihm zu finden. Denn Kafka ist nicht besonders zugänglich – weder in seinem Schreiben noch in seinem Charakter“, sagt Schalko, der auch Michael Maertens als Off-Erzähler eingebunden hat, um die verschiedenen Ebenen miteinander zu verbinden. Denn nicht nur hat jede Folge einen eigenen Schwerpunkt, auch sorgen traumartige Spielszenen, von Kameramann Martin Gschlacht bei den von Februar bis Juni 2023 dauernden Dreharbeiten in Wien und Salzburg in ungewöhnlichen Bildern eingefangen, immer wieder für Verbindungen zwischen Leben und Werk.

Die einzelnen Folgen:

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„Kafka: Max“ (24. März, 20.15 Uhr):

Im Zentrum des Auftakts steht weniger Kafka selbst als sein Freund Max Brod, der als erfolgreicher, dem Leben und den Frauen zugewandter Schriftsteller das pure Gegenteil seines schwierigen und an allem zweifelnden Freundes Franz zu sein scheint. Max ist davon überzeugt, dass in Franz etwas Großes stecken würde – wenn er sich bloß endlich auf das Schreiben konzentrierte. Man sieht, wie es Max gelingt, mit dem letzten Zug aus Prag die hinterlassenen Manuskripte seines toten Freundes dem Zugriff der Nazis zu entziehen – und wie er sich Jahre später in einem Interview vorwerfen lassen muss, sich selbst als Instanz zwischen Kafka und die Welt geschoben zu haben.

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„Kafka: Felice“ (24. März, 21.00 Uhr):

In der zweiten Episode steht Kafkas erste Verlobte Felice Bauer (Lia von Blarer), Max Brods Cousine, im Mittelpunkt. Es ist eine lange, doch quälende Beziehung, die überstürzt begonnen und weniger in persönlichen Begegnungen als in endlosen Briefwechseln geführt wird. Das Zweiflerische, Unentschlossene Kafkas macht den Versuch einer menschlichen Annäherung zu einem ständigen Wechselbad der Gefühle, der in Summe weniger Glück beschert als Nerven kostet. Es ist die erste der stets aufreibenden Frauenbeziehungen Kafkas.

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„Kafka: Familie“ (24. März, 21.50 Uhr):

Der „Brief an den Vater“ zählt zu den herausragenden Werken von Franz Kafka. Der aus 103 handschriftlichen Seiten bestehende gnadenlose Anklagebrief wurde 1919 verfasst, nie abgeschickt und 1952 postum veröffentlicht. Nicholas Ofczarek spielt den grobschlächtigen Kaufmann Hermann Kafka, den Kafka als übermächtiges Vater-Monster erlebt. Eine Konfrontation zwischen seinem Vater und seinem Freund Yitzhak Löwy (Konstantin Frank), Schauspieler einer jiddischen Theatertruppe, wird als literarische Urszene gedeutet: „Aus der Bezeichnung ‚Ungeziefer‘ für den Schauspieler aus dem Mund des Vaters wird das Ungeziefer in der ‚Verwandlung‘“, sagt Schalko.

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„Kafka: Das Bureau“ (25. März, 20.15 Uhr):

Franz Kafka war als Jurist Versicherungsanwalt und als solcher hochgeschätzt. Trotz der Anerkennung und der komfortablen Arbeitsbedingungen litt er unter seiner Arbeit, setzte alles daran, ihr zu entkommen, und schuf literarisch ein bedrückendes Zeugnis übermächtiger und undurchschaubarer Strukturen. „Das Wort kafkaesk betrifft vor allem bürokratisch pervertierte Abläufe, aber Kafka war ja als Versicherungsangestellter ein Teil dieser Bürokratie und nicht ihr Opfer“, sagt Schalko und widmet sich in der vierten Folge diesem Widerspruch, der umso grotesker wird, wenn man weiß, dass Kafkas Vorgesetzte ihn im Ersten Weltkrieg offiziell als unverzichtbar erklärten und ihn so vor einer Einberufung bewahrten.

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„Kafka: Milena“ (25. März, 21.05 Uhr):

Kafkas kurze Beziehung zu der Schriftstellerin und Journalistin Milena Jesenská (Liv Lisa Fries) steht im Mittelpunkt der vorletzten Folge. Auch diese Beziehung, die sich intensivierte, nachdem Milena 1919 Kafkas Erzählung „Der Heizer“ ins Tschechische übersetzt hatte, wird von einem heftigen Briefwechsel begleitet. Aber nicht nur: „Während eines langen Nachmittags in den Wiener Wäldern durchleben sie alle Phasen einer leidenschaftlichen Liebesaffäre“, heißt es in der Ankündigung.

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„Kafka: Dora“ (25. März, 21.55 Uhr):

Das frühe Ende eines großen Schriftstellers. Kafka leidet an Lungentuberkulose. Der Urlaubsort des bereits von der Krankheit gezeichneten Autors verwandelt sich in seiner Vorstellung in das düstere Dorf seines letzten Romans „Das Schloss“. Die Schauspielerin Dora Diamant (Tamara Romera Ginés) lernt Kafka in einem Ostseebad kennen und bezieht schon bald mit ihm eine Wohnung in Berlin. Kafkas Gesundheitszustand verschlechtert sich rasch. Die Gefährtin bleibt an seiner Seite, auch als es im Sanatorium Kierling bei Klosterneuburg mit Kafka langsam zu Ende geht. Franz Kafka stirbt am 3. Juni 1924.

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